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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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und habe den größten Teil des Tages gelegen. War es nicht so, Emily?»
    «Ja, Mama. Ich habe dir sogar das Essen auf dein Zimmer gebracht.»
    «Mir liegt daran, daß Sie sich meine nächste Frage sehr genau anhören», sagte Delaney gewichtig, «und sehr gut überlegen, ehe Sie antworten. Kennen Sie jemand, der aus irgendeinem realen oder eingebildeten Grund etwas gegen Victor Maitland hatte oder ihn so sehr haßte, daß er imstande war, ihn umzubringen?»
    Einen Moment sahen die beiden Frauen einander an.
    «Ich bin überzeugt, daß es Menschen gegeben hat, die meinen Sohn nicht mochten oder ihn sogar haßten», erklärte Dora Maitland schließlich. «Er war ein außerordentlich erfolgreicher Maler; auf diesem Gebiet herrschte viel Konkurrenz, und es gibt ja immer welche, die andere um ihr Talent beneiden. Davon verstehe ich ein bißchen was, wissen Sie. Ich war nämlich beim Theater, ehe ich Mr. Maitland heiratete, recht erfolgreich und daher persönlich Gegenstand bitteren Neides, häßlichen Geredes und aller möglichen bösartigen Gerüchte. Aber als schöpferischer Mensch ist man daran gewöhnt. Unbegabte Menschen werden dermaßen frustriert, daß ihre Eifersucht sie bisweilen zu Bosheiten und Grausamkeiten treibt. Ich bin überzeugt, daß mein Sohn viele solcher Angriffe hat über sich ergehen lassen müssen.»
    «Kennen Sie jemand, der fähig gewesen wäre, ihn umzubringen, oder jemand, der ihn bedroht hat?»
    «Nein, ich nicht. Emily?»
    «Ich auch nicht, Mama.»
    «Ihr Sohn hat nie erwähnt, daß er bedroht wurde?»
    «Nein, das hat er nicht», sagte Dora Maitland.
    «Sie haben Ihren Sohn häufig gesehen?»
    Ein kaum wahrnehmbares Zögern, dann sagte sie: «Nicht so oft, wie ich es gewünscht hätte.»
    «Und wie oft hat Ihr Sohn Sie besucht, Mrs. Maitland?»
    Abermals ein Zögern. «So oft er konnte.»
    «Wie häufig? Einmal die Woche? Einmal im Monat? Öfter oder weniger oft?»
    «Ich sehe wirklich nicht, was das mit der Entlarvung des Mörders meines Sohnes zu tun hat, Mr. Delaney», sagte sie kalt.
    Er stieß einen Seufzer aus, und lehnte sich Vertrauen heischend vor: «Mrs. Maitland, ich habe nicht die Absicht, Ihnen Schmerz zuzufügen oder mich ungebührlich für die Beziehung zu interessieren, die zwischen Ihnen und Ihrem Sohn bestanden hat. Schließlich hat es sich um eine normale Mutter-Sohn-Beziehung gehandelt, oder?»
    «Selbstverständlich», sagte sie.
    «Selbstverständlich hat es das», wiederholte er. «Er liebte Sie, und Sie liebten ihn?»
    «Ja.»
    «Miss Maitland, würden Sie dazu vielleicht etwas sagen wollen?»
    «Was Mama sagt, stimmt», antwortete die jüngere der beiden Frauen.
    «Selbstverständlich.» Delaney nickte. «Wenn ich Sie also frage, wie oft Ihr Sohn Sie besuchte, dann nicht, um Zweifel an dieser Beziehung zu äußern; es handelt sich vielmehr darum, daß wir uns über seine Lebensgewohnheiten klarwerden müssen. Wen er besuchte und wann. Wo er hinfuhr und wie oft. Kam er einmal im Monat hier herauf, Mrs. Maitland?»
    «Weniger oft», sagte sie kurz angebunden.
    «Einmal im Jahr?»
    «Vielleicht. Wenn er es einrichten konnte. Er war ein vielbeschäftigter, erfolgreicher Künstler.»
    «Selbstverständlich», sagte Delaney. «Selbstverständlich.» Er nahm die Brille ab und blickte hinaus auf den dunklen Strom, der sich träge dem Meer entgegenwälzte. «Ein sehr erfolgreicher Künstler», sagte er sinnend. «Wußten Sie, daß Ihr Sohn ein einziges Bild für hunderttausend Dollar verkauft hat?»

    «Ich habe davon gelesen», sagte sie unbewegt.
    «Das muß man sich einmal vorstellen!» rief Delaney. «Hunderttausend Dollar für ein Bild!» Dann blickte er sie direkt an. «Hat er Ihnen von diesem Geld etwas geschickt, Mrs. Maitland?»
    «Nein.»
    «Hat er zu Ihrem Lebensunterhalt beigetragen? Hat er jemals seine Mutter an seinem großen finanziellen Erfolg teilnehmen lassen?»
    «Er hat uns nie auch nur einen Cent gegeben», brach es aus Emily Maitland hervor, und alle wandten sich ihr zu. Sie errötete und nahm einen Schluck Limonade. «Du meine Güte!» sagte sie. «Ich habe mich gehenlassen. Aber es stimmt doch, nicht wahr, Mama?»
    «Ich habe ihn nie um was gebeten», sagte Mrs. Maitland. «Ich hin selbst nicht ganz mittellos, Mr. Delaney. Wäre ich in Not gewesen, Victor hätte freudig und großzügig angeboten, uns zu helfen.»
    «Ich bin überzeugt, daß er das getan hätte», murmelte Delaney. «Sie haben ein gutes Auskommen, Mrs. Maitland?»
    «Ein recht gutes»,

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