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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Grundlagen der anspruchsvollen Kunst seines Meisters kennt.
    Auf meinen Reisen hatte ich einiges gelernt. Eine flache, glänzende Schale, abgedeckt mit einem Tuch, war ein Wahrsagebecken. Ich hatte sie bei Zukunftsdeutern auf Märkten in Chalced gesehen. Mir fiel die Nacht ein, als Chade mich aus meinem trunkenen Schlummer riss, um mir zu sagen, Guthaven würde von den Roten Korsaren angegriffen. Damals, in jener Nacht, war keine Zeit gewesen, ihn zu fragen, woher er das wusste. Ich hatte immer angenommen, es wäre ein Botenvogel gewesen. Jetzt allerdings kamen mir Zweifel.
    Der Ofen war kalt, aber sauberer als zu meiner Zeit. Ich fragte mich, wer sein neuer Famulus war und ob ich ihn kennen lernen würde. Das Geräusch einer Tür, die leise geschlossen wurde, riss mich aus meinen Betrachtungen. Ich drehte mich um und sah Chade Irrstern neben einem Regal stehen. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass es in dem ganzen Raum keine sichtbaren Türen gab. Sogar hier noch Tarnung. Er begrüßte mich mit einem warmen, wenn auch müden Lächeln. »Da bist du endlich. Als ich Leuenfarb schwungvoller denn je den Saal betreten sah, wusste ich, dass du mich hier erwartest. O Fitz, du hast keine Ahnung, wie erleichtert ich bin, dich zu sehen.«
    Ich feixte. »Selten bin ich mit Worten empfangen worden, die mich weniger Gutes ahnen ließen.«
    »Die Zeiten sind nicht gut, mein Junge. Setz dich, iss. Unsere ergiebigsten Gespräche hatten wir immer beim Essen. Ich habe dir viel zu erzählen und du kannst es dir ebenso gut mit vollem Magen anhören.«
    »Dein Bote war in der Tat nicht sehr gesprächig.« Ich setzte mich an den kleinen, aber reich gedeckten Tisch. Verschiedene Sorten Käse lachten mich an, kalter Braten, duftend reifes Obst und gewürztes Brot. An Getränken standen Wein und Odevie bereit, doch Chade bediente sich mit Tee aus einer tönernen Kanne, die am Rand des Feuers warmgestellt war. Als ich nach der Kanne griff, wehrte er mit einer Handbewegung ab.
    »Ich gieße dir frischen auf«, sagte er und hängte den Wasserkessel über die Flammen. Ich beobachtete sein Mienenspiel, als er einen Schluck von dem schwarzen Gebräu in seinem Becher nahm. Der reine Genuss schien es nicht zu sein, doch er ließ sich aufseufzend zurücksinken. Ich behielt meine Gedanken für mich.
    Während ich mir die Köstlichkeiten auf den Teller lud, bemerkte Chade: »Mein Bote hat dir gesagt, was er wusste, und er wusste nichts. Ich habe größten Wert darauf gelegt, diese Angelegenheit geheim zu halten. Nun, wo fange ich an? Schwer zu entscheiden, da ich nicht weiß, was der Auslöser dieser Krise war.«
    Ich biss von meinem Schinkenbrot ab, kaute und schluckte. »Erzähl mir die Hauptsache, und von dort arbeiten wir uns zum Anfang zurück.«
    Seine grünen Augen waren umwölkt. »Nun gut.« Er holte Luft, zögerte, schenkte uns beiden einen Odevie ein. Als er mein Glas vor mich hinstellte, sagte er: »Prinz Pflichtgetreu ist verschwunden. Wir glauben, er ist – ausgerissen. Wenn es so ist, muss er Hilfe gehabt haben. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass er gegen seinen Willen entführt wurde, aber weder die Königin noch ich halten das für wahrscheinlich. Da hast du’s.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich abwartend an.
    Ich nahm mir einen Moment Zeit, um meine Gedanken zu ordnen. »Wie konnte das passieren? Wen habt ihr in Verdacht? Wie lange ist es her?«
    Chade hob Einhalt gebietend die Hand. »Sechs Tage, sieben Nächte, heute eingerechnet. Ich bezweifle, dass er vor morgen früh wieder auftaucht, obwohl mir ein Stein vom Herzen fallen würde, wenn er es täte. Wie es passieren konnte? Nun … Ich übe keine Kritik an meiner Königin, aber die Sitten, die sie aus ihrer Heimat mitgebracht und hier eingeführt hat, machen mir oft zu schaffen. Von seinem dreizehnten Lebensjahr an war es dem Prinzen gestattet, frei zu kommen und zu gehen, ganz nach seinem Belieben. Sie hielt es für richtig, dass er sich zwischen seinen Untertanen bewegt als einer von ihnen. Zeitweilig hielt ich das für klug, denn das Volk liebte ihn dafür, allerdings war ich der Meinung, er sollte einen Leibwächter haben, oder wenigstens einen Tutor von der muskulösen Sorte. Doch Kettricken, wie du dich erinnerst, kann hart sein wie Stein. Es geschah, wie sie es wünschte. Er kam und ging nach Lust und Laune, und die Wachen hatten Order, ihn gewähren zu lassen.«
    Das Wasser kochte. Chade hatte seinen Tee noch dort stehen, wo er immer

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