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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gestanden hatte, und er äußerte sich nicht, als ich aufstand, um mir welchen aufzubrühen. Er schien seine Gedanken zu sammeln und ich störte ihn nicht, zumal in meinem eigenen Kopf die Tatsachen, Schlussfolgerungen und Vermutungen durcheinander quirlten wie eine Schafherde, in die der Wolf gefahren ist.
    »Er könnte längst tot sein«, hörte ich mich sagen und hätte mir am liebsten die Zunge abgebissen, als ich den gequälten Ausdruck auf Chades Gesicht sah.
    »Das ist in Erwägung zu ziehen.« Der greise Assassine nickte. »Er ist ein kühner, kräftiger junger Mann, der keiner Herausforderung aus dem Weg gehen wird. Sein Verschwinden muss kein politisches Komplott sein; er könnte einen ganz normalen Unfall gehabt haben. Ich habe ein, zwei diskrete Leute an der Hand, und sie haben in meinem Auftrag die Klippen am Meer abgesucht und die schluchtenreiche Gegend, wo er vorzugsweise auf Jagd geht. Ich glaube aber, wenn er sich verletzt hätte, wäre seine kleine Jagdkatze zur Burg zurückgekommen. Obwohl das bei Katzen schwer zu sagen ist. Ein Hund würde nach Hause laufen, eine Katze jedoch nimmt vielleicht ihr Leben in der Wildnis wieder auf. Wie auch immer, ich habe nach einem Leichnam suchen lassen. Es wurde keiner gefunden.«
    Eine Jagdkatze. Ich stutzte, doch statt der plötzlichen Eingebung nachzugehen, fragte ich: »Du sagst, weggelaufen oder möglicherweise entführt. Was veranlasst dich, das Erstere, beziehungsweise das Letztere für wahrscheinlich zu halten?«
    »Ersteres weil er ein Jüngling ist, der lernen will, ein Mann zu sein und das an einem Hof, der ihm weder das eine noch das andere leicht macht. Letzteres weil er ein Prinz ist, seit kurzem einer fremdländischen Prinzessin versprochen und, so wird gemunkelt, einer mit der Alten Macht. Gründe genug, um Interessengruppen auf den Gedanken zu bringen, es könnte ihnen nutzen, wenn sie den Kronprinzen entweder zu ihrer Marionette machen oder ihn ganz aus dem Weg räumen könnten.«
    Er gab mir einige Minuten Zeit, um diesen Brocken zu verdauen. Tage hätten nicht gereicht. Ich muss so elend ausgesehen haben, wie ich mich fühlte, denn leise fügte Chade hinzu: »Wir glauben, selbst wenn er entführt worden sein sollte, ist er für seine Entführer lebendig wertvoller als tot.«
    Ich atmete gegen das Gewicht auf meiner Brust an, und mein Mund war trocken, als ich fragte: »Hat jemand sich gemeldet und behauptet, dass er ihn in seiner Gewalt hat? Lösegeld gefordert?«
    »Nein.«
    Ich hieß mich im Stillen einen Idioten und Schafskopf, dass ich versäumt hatte, mich über die politische Entwicklung in den Sechs Provinzen auf dem Laufenden zu halten. Aber hatte ich nicht geschworen, mich nie wieder in dieses Intrigenspiel hineinziehen zu lassen? Plötzlich erschien mir dieses mir selbst gegebene heilige Versprechen wie der törichte Entschluss eines Kindes, nie wieder vom Regen nass zu werden. Kleinlaut sagte ich: »Du wirst mich auf den neusten Stand bringen müssen, Chade, kurz und bündig. Was für Interessengruppen? Inwiefern nützt es ihnen, wenn sie Einfluss auf den Prinzen haben? Was für eine fremdländische Prinzessin? Und«, – diese letzte Frage blieb mir fast im Hals stecken –, »weshalb sollte jemand auf die Idee kommen, Prinz Pflichtgetreu wäre einer mit der Alten Macht?«
    »Deinetwegen«, antwortete Chade knapp. Er griff wieder nach der Teekanne und goss sich ein. Diesmal floss der Trank noch schwärzer aus der Tülle, und ich erschnupperte ein melasseartiges, doch bitteres Aroma. Er nahm einen Schluck und spülte sofort mit Odevie nach. Seine grünen Augen bohrten sich in meine. Er wartete. Ich schwieg. Ein paar Geheimnisse gehörten immer noch mir ganz allein. Hoffte ich.
    »Du warst einer mit der Alten Macht«, fuhr er fort. »Manche sagten, es müsse von deiner Mutter auf dich gekommen sein, wer immer sie war, und Eda vergebe mir, ich habe diesen Glauben gefördert. Doch andere weisen in die Vergangenheit, auf den Gescheckten Prinzen und sonstige zweifelhafte Gestalten in der Ahnenreihe der Weitseher, und sagen: ›Nein, die Fäulnis sitzt dort, dort an den Wurzeln, und Prinz Pflichtgetreu ist ein Spross dieses Stammes.‹«
    »Aber der Gescheckte Prinz starb ohne Nachkommen, Pflichtgetreu gehört nicht zu diesem Zweig der Familie. Was bringt die Leute also auf die Vermutung, der Prinz könnte mit der Alten Macht behaftet sein?«
    Chade kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Willst du Katz und Maus mit mir

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