Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Dachsenbless trug ihm, in gebührendem Abstand, sein besticktes Kissen nach.
Am Tor ließ man ihn ohne Anruf passieren, für mich hatte niemand einen Blick. Die Wachen trugen das Blau von Bocksburg und auf dem Koller den Rehbock des Hauses Weitseher. Kleine Dinge wir diese griffen mir unerwartet ans Herz. Ich blinzelte, hustete und rieb mir die Augen. Der Narr bewies Taktgefühl indem er weiterging, ohne sich nach mir umzusehen.
Die Burg hatte sich wahrhaftig ebenso verändert wie die Stadt, die sich zu ihren Füßen an die Felsen klammerte. Alles in allem waren es Veränderungen zum Besseren. Wir gingen an neuen und geräumigeren Stallungen vorbei. Die Wege zwischen den Gebäuden waren gepflastert. Obwohl mehr Leute als zu meiner Zeit hier zu leben schienen, wirkte alles reinlicher und gut instand gehalten. Ich fragte mich, ob Kettrickens aus der Heimat mitgebrachte Disziplin sich auf diese Art manifestierte oder ob das die Wirkung der nunmehr fünfzehn Friedensjahre war. Meine Zeit damals in Bocksburg war überschattet von Überfällen der Roten Piraten, die sich schließlich zu einem offenen Krieg auswuchsen. Nach dem Ende des Schreckens war der Handel wieder aufgelebt und das nicht nur mit den Ländern im Süden der Sechs Provinzen. Unsere Chronik des Handels mit den Äußeren Inseln war ebenso lang wie die Chronik der kriegerischen Auseinandersetzungen. Ich hatte bei meiner Ankunft Handelsschiffen der Outislander im Hafen liegen sehen, Segler wie Ruderer.
Wir betraten den Palas durch den Großen Saal, den Lord Leuenfarb mir aristokratischer Grandezza durchschritt, während ich niedergeschlagenen Auges hintendrein trabte. Zwei Damen schwebten herbei, um ihn zu begrüßen und bei dieser Szene kam es mich hart an, meine Rolle als Diener weiterzuspielen. Wo früher der Narr die Menschen mit Unbehagen oder gar unverhohlenem Widerwillen erfüllt hatte, umschmeichelte man Fürst Leuenfarb mit flirrenden Fächern und Augenwimpern. Er bezauberte seine Bewunderinnen mit einem Bouquet elegant verschnörkelter Komplimente über ihre Roben, ihre Frisuren, ihr Parfum. Sie ließen ihn nur ungern ziehen und er schwor, auch ihm fiele es schwer, sich zu trennen, doch hätte er einen neuen Domestiken in seine Pflichten einzuweisen, und sie wussten sicherlich, welche Plage das war. Gute Dienstboten waren einfach nicht mehr zu finden und obwohl dieser mit den besten Empfehlungen kam, hatte er sich bereits als begriffsstutzig und hoffnungslos hinterwäldlerisch erwiesen. Nun, heutzutage musste man das Beste aus dem machen, was man bekam, und er hoffte, Morgen wieder die Gesellschaft der Damen genießen zu dürfen. Er hätte sich vorgenommen, nach dem Frühstück ein wenig im Thymiangarten zu lustwandeln – wenn man sich ihm anschließen wolle?
Aber freilich wollte man, mit dem allergrößten Vergnügen, und nach gegenseitigen Versicherungen des Entzückens und der höchsten Wertschätzung durften wir endlich weitergehen.
Man hatte dem Fürsten Leuenfarb Gemächer an der Westseite des Palas zugewiesen. In den Tagen König Listenreichs galten diese als die weniger vornehmen Räume, denn sie blickten auf die Hügel im Hinterland und den Sonnenuntergang statt auf das Meer und den Sonnenaufgang. Das Mobiliar war schlichter als in den besseren Gemächern und man pflegte sie Gästen aus dem niederen Adel zuzuweisen.
Entweder genossen die Räumlichkeiten inzwischen einen höheren Status oder der Narr war außerordentlich großzügig mit seinem eigenen Geld gewesen. Auf seinen Wink hin öffnete ich die schwere Eichentür, wartete, bis er eingetreten war, und folgte ihm dann in Gemächer, in denen Reichtum, Geschmack und erlesene Qualität sich ein Stelldichein gaben. Satte Grün-und nuancenreiche Brauntöne dominierten in den dicken Teppichen und schwellenden Polstersesseln. Durch eine offene Tür fiel mein Blick auf ein riesiges Bett, überhäuft mit Kissen und Federplumeaus und versehen mit schweren Draperien, die selbst im strengsten Winter kein kalter Lufthauch zu durchdringen vermochte. Für den Sommer waren die Vorhänge mit Quastenkordeln zurückgebunden worden und ringsherum angebrachte Spitzengardinen hatten die Aufgabe, lästige Insekten von dem Schlafenden fernzuhalten. Geschnitzte Truhen und Kästen standen offen und die Masse der Gewänder drohte herauszuquellen. Es herrschte eine Atmosphäre üppiger und wohnlicher Unordnung, ein krasser Gegensatz zu dem asketischen Turmzimmer des Narren, an das ich mich von früher
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