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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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affektierten Hofschranzenstimme. »Wie auch Fürst Leuenfarb, allerdings von einer gänzlich anders gearteten Gesellschaft. Du bist von deinen Pflichten als Leibdiener entbunden, wenigstens für heute Nacht. Du bist beurlaubt, Tom Dachsenbless.«
    »Zu gütig, Euer Wohlgeboren«, erwiderte ich sarkastisch. Den Kopf in den Nacken gelegt, schaute ich die Treppe hinauf. Sie war aus Stein, offenbar gleich in die Mauer eingefügt, als die Burg erbaut wurde. Die graue Helligkeit, die von oben zu uns herunterdrang, sah eher nach Tageslicht aus als nach Lampenschein.
    Die Hand des Narren legte sich kurz auf meine Schulter, hielt mich zurück. Mit einer vollkommen anderen Stimme sagte er: »Ich lasse in der Kammer eine Kerze brennen.« Er drückte meine Schulter freundschaftlich. »Und willkommen daheim, Fitz Chivalric Weitseher.«
    Ich wandte den Kopf und schaute ihn an. »Vielen Dank, alter Freund.« Wir nickten einander zu, ein seltsam förmliches Lebwohl, und ich machte mich daran, die Treppe zu erklimmen. Auf der dritten Stufe hörte ich hinter mir ein leises Knacken und warf einen Blick zurück. Die Tür hatte sich geschlossen.
    Es waren viele Stufen. Endlich machte der Schacht eine Biegung und ich entdeckte die Quelle der Helligkeit. Die scheidende Sonne tastete mit verblassenden Fühlern durch schmale senkrechte Mauerschlitze, nicht einmal so breit wie Schießscharten. Das Licht wurde schwächer und ich begriff plötzlich, sobald die Sonne untergegangen war, musste ich den Rest des Wegs in völliger Dunkelheit finden. Ich ging rasch weiter und gelangte zu einer Stelle, wo der Korridor sich gabelte. Wahrhaftig, Chades Labyrinth aus Stollen, Treppen und Gängen in den Eingeweiden der Burg war ausgedehnter, als selbst ich geahnt hatte. Ich schloss für einen Moment die Augen und rief mir den Grundriss der Burg in Erinnerung. Nach kurzem Zögern entschied ich mich für eine Richtung und setzte meinen Weg fort. Von Zeit zu Zeit hörte ich Stimmen. Winzige Gucklöcher gewährten mit Einblick in Schlafgemächer und Boudoirs und spendeten schmale Streifen Licht in langen dunklen Abschnitten des Ganges. Ein Holzstuhl, staubig weil lange nicht benutzt, stand in einer Nische. Ich setzte mich und spähte durch einen Schlitz in ein privates Kabinett, das ich aus meiner Zeit in König Listenreichs Diensten kannte. Wenn ich mich recht erinnerte, verbarg das prachtvolle Schnitzwerk, das den Kamin einrahmte, diesen Lauschposten. Nachdem ich nun eine Vorstellung davon hatte, wo ich mich befand, eilte ich weiter.
    Endlich entdeckte ich ein gutes Stück vor mir in dem geheimen Gang einen gelblichen Lichtschimmer. Dort angelangt, fand ich eine Biegung und ein brennendes Windlicht. Wieder ein Stück weiter erspähte ich eine zweite Kerze. Von dem Punkt an führten die kleinen Lichter mich weiter, bis ich eine sehr steile Treppe hinaufstieg und mich oben in einem kleinen gemauerten Raum mit nur einer Tür widerfand. Die Tür schwang auf, als ich dagegen drückte, und ich trat hinter dem Weinregal hervor in Chades mir aus früheren Zeiten wohl bekanntes Turmgemach.
    Ich sah den Raum mit neuen Augen. Es war niemand anwesend, doch im Kamin brannte knisternd ein kleines Feuer und ein gedeckter Tisch verriet mir, dass ich, wie der Narr gesagt hatte, erwartet wurde. Auf der geräumigen Bettstatt häuften sich Decken, Kissen und Pelze, wie früher auch, doch ein ausgedehntes und komplexes Spinnennetz zwischen den staubigen Draperien sprach von Vernachlässigung. Chade benutzte dieses Zimmer noch, doch wohnte er nicht mehr hier.
    Ich schlenderte in die dem handwerklichen Teil seines ›Berufs‹ vorbehaltene Hälfte des Gemachs, vorbei an Gestellen voller Schriftrollen und den Borden mit geheimnisvollen Gerätschaften. Manchmal, wenn man an die Schauplätze seiner Kindheit zurückkehrt, kommen einem die Dinge kleiner vor. Was einst geheimnisvoll war und ausschließlich das Reich der Erwachsenen, erscheint einem, wenn man es mit gereiften Augen betrachtet, plötzlich gewöhnlich und banal.
    Chades Giftküche hatte ihre Faszination nicht eingebüßt. Die kleinen Töpfe, sorgsam etikettiert und beschriftet, die geschwärzten Kessel und fleckigen Stößel, die verstreuten Kräuter und vielerlei Gerüche wirkten immer noch ihren Zauber. Ich verfügte über die Gabe und die Alte Macht, aber die Alchemie, die Chade praktizierte, war eine Form der Magie, die ich nie wirklich beherrschen gelernt hatte. Hier war ich immer noch der Famulus, der nur die

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