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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erinnerte.
    Während ich leise die Tür schloss, warf sich Fürst Leuenfarb in einen der Sessel. Ein letzter Abendsonnenstrahl fiel durch das hohe Fenster und wie zufällig auf seine Gestalt. Er legte die Hände mit den Fingerspitzen aneinander und ließ den Kopf an die gepolsterte Lehne sinken, und plötzlich erkannte ich die ausgeklügelte Absicht hinter dem Sessel genau an diesem Fleck und seiner Pose. Der gesamte Raum war ein Rahmen für seine goldene Schönheit. Jede Farbnuance, das Arrangement der Möbel, war darauf ausgerichtet, den größtmöglichen Effekt zu erzielen. An diesem Platz, zu dieser Tageszeit badete er im honigfarbenen Leuchten des Sonnenuntergangs. Ich schaute mich um, studierte die Anordnung der Kerzen, den Winkel der Sessel.
    »Du trittst in diesen Raum wie eine Figur in ein sorgsam arrangiertes Portrait«, äußerte ich halblaut.
    Er lächelte; sein unverhohlenes Vergnügen über mein Kompliment bestätigte meinen Eindruck. Dann erhob er sich mühelos wie eine Katze. Arm und Hand beschrieben in einer eleganten Schnörkelbewegung einen Halbkreis und deuteten der Reihe nach auf die vom Salon abzweigenden Türen. »Mein Schlafgemach. Mein Privatgemach, Betreten verboten.« Diese Tür war geschlossen, wie auch die letzte. »Die Dienstbotenkammer, Tom Dachsenbless.«
    Ich fragte nicht nach seinem Privatgemach. Sein Bedürfnis nach Ungestörtheit war mir von früher her noch bekannt. Lieber öffnete ich die Tür zu meinem Quartier. Ich schaute in ein kleines, fensterloses Gelass. Nach und nach, je besser meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, erkannte ich eine schmale Pritsche, ein Lavoir und eine kleine Truhe. In einem Halter auf dem Lavoir steckte eine Kerze. Das war alles. Ich drehte mich mit fragender Miene zu meinem neuen Herrn um.
    »Fürst Leuenfarb«, erklärte er mit einem ironischen Lächeln, »ist ein seichter, eigennütziger Geselle. Er ist witzig und schlagfertig und äußerst charmant gegenüber seinesgleichen, Leute von geringer Herkunft hingegen gelten ihm etwa so viel wie ein Span seiner manikürten Fingernägel. Voilà. Deine Unterkunft spiegelt diese Haltung wider.«
    »Kein Fenster? Kein Kamin?«
    »Nicht anders, als in den meisten anderen Dienstbotenunterkünften in diesem Stockwerk Diese hier besitzt allerdings eine ausgesprochen bemerkenswerte Besonderheit, die in den anderen Zimmern nicht zu finden ist.«
    Ich ließ den Blick nochmals durch den zellenähnlichen Raum wandern. »Was immer es ist, ich kann es nicht entdecken.«
    »Das ist beabsichtigt. Komm.«
    Er zog mich mit in die Kammer und schloss die Tür hinter uns. Schlagartig war es stockfinster. Dicht an meinem Ohr hörte ich ihn sagen: »Denk immer daran, dass die Tür geschlossen sein muss, damit der Trick funktioniert. Hier herüber. Gib mir deine Hand.«
    Ich gehorchte, und er führte meine Fingerspitzen über die unverputzten Mauersteine neben der Tür. »Und warum muss es dunkel sein?«, wollte ich wissen.
    »Kerzen anzünden hätte zu lange gedauert. Außerdem, was ich dir zeigen will, kann man nicht sehen, nur ertasten. Da. Fühlst du das?«
    »Ich glaube ja.« Da war eine leichte Unebenheit im Stein.
    »Nimm deine Hand als Maßstab oder was du willst, um dir einzuprägen, wo die Stelle ist.«
    Ich befolgte den Rat. Von der Ecke bis zu dem fraglichen Punkt betrug die Entfernung sechs meiner Handspannen; auf der Senkrechten lag er etwa in Höhe meines Kinns. »Was jetzt?«
    »Drücken. Vorsichtig. Es braucht nicht viel.«
    Tatsächlich fühlte ich schon nach einem leichten Pressen, wie sich der Stein unter meiner Hand bewegte. Ein leises Klicken ertönte, nicht in der Mauer vor mir, sondern von irgendwo hinten im Raum.
    »Hier entlang.« Der Narr geleitete mich durch die konturlose Dunkelheit zur hinteren Wand der Kammer. Wieder legte er meine Hand auf die Steine und forderte mich auf, dagegen zu drücken. Die Schwärze geriet in Bewegung, das Mauerwerk war nichts als Fassade, die bei meiner Berührung zurückschwang.
    »Kaum ein Geräusch«, bemerkte der Narr lobend. »Er muss sie geölt haben.«
    Nach der vollkommenen Dunkelheit schmerzte selbst die schwache Helligkeit, die von hoch oben heruntersickerte, in den Augen. Ich musste blinzeln und es dauerte einen Moment, bis ich etwas erkennen konnte: eine sehr schmale Stiege, die an der Wand in die Höhe führte. Oben ein Gang, ebenso schmal, der sich in Dunkelheit aufzulösen schien.
    »Ich glaube, du wirst erwartet«, verkündete der Narr mit seiner

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