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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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stark genug, die Risse in der Fassade zu schließen. Schlagartig wurde mir klar, wie schnell und wie tief wir alle fallen konnten.
    Ich beugte mich vor und legte meine Hand über die seine, schaute ihm in die Augen und bemühte mich, Kraft und Zuversicht in ihn einströmen zu lassen. »Fang mit der Nacht vor seinem Verschwinden an«, bat ich. »Und lass nichts aus.«
    »Du verlangst, dass ich als dein alter Lehrer dir Jungspunt Bericht erstatte?« Ich dachte, ich hätte ihn beleidigt, aber dann breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht aus. »Ach Fitz, ich danke dir. Ich danke dir, mein Junge. Es tut gut, dich wieder an der Seite zu haben, jemanden, dem man vertrauen kann. Die Nacht, bevor der Prinz verschwunden ist. Hm. Lass mich überlegen …«
    Für eine Weile blickten die grünen Augen ins Leere. Schon fürchtete ich, dass ich ihn aus dem Konzept gebracht hatte, aber dann sah er wieder mich an, und sein Blick war klar. »Ich werde noch etwas weiter zurückgehen. Wir hatten einen Streit an dem fraglichen Morgen, der Prinz und ich. Nun, keinen richtigen Streit. Pflichtgetreu ist zu wohl erzogen, um mit einem Älteren zu streiten. Doch ich hatte ihn getadelt, und er schmollte, ganz so wie du früher. Manchmal staune ich, wie sehr der Junge mich an dich erinnert.« Er stieß einen kleinen Seufzer aus.
    »Wie auch immer. Wir hatten eine kleine Auseinandersetzung. Er war zu seiner morgendlichen Lektion in der Gabe erschienen, doch er konnte sich nicht konzentrieren. Er hatte Ringe unter den Augen und ich wusste, er war wieder einmal bis tief in die Nacht mit seiner Jagdkatze unterwegs gewesen. Ich warnte ihn mit deutlichen Worten, er solle sich zusammennehmen und künftig ausgeruht und frisch zum Unterricht erscheinen, sonst würde es Folgen für ihn haben. Zum Beispiel dass man die Katze in den Ställen unterbringt, bei den Hunden und Falken, damit der Prinz in den Nächten wieder Ruhe findet.
    Das gefiel ihm natürlich nicht. Seit ihm diese Katze zum Geschenk gemacht wurde, sind er und das Tier unzertrennlich. Doch er äußerte sich nicht zu der Katze oder seinen nächtlichen Ausflügen, wahrscheinlich weil er glaubte, ich wüsste nichts weiter darüber, stattdessen gab er den Lektionen und seinem Lehrer die Schuld. Er warf mir vor, er hätte kein Talent für die Gabe und würde es nie haben, ob nun ausgeschlafen oder nicht. Ich sagte ihm, er solle kein dummes Zeug reden, er wäre ein Weitseher und die Gabe läge ihm im Blut. Er besaß die Dreistigkeit, mir zu antworten, ich sei derjenige, der dummes Zeug redete, denn er brauche nur in den Spiegel zu schauen, um zu wissen, dass es einen Weitseher gibt, dem die Gabe nicht in die Wiege gelegt wurde.«
    Chade hustete und lehnte sich zurück. Erst nach einem Moment der Verwirrung merkte ich, dass er belustigt war, nicht verärgert. »Er kann ein frecher kleiner Welpe sein«, knurrte er, doch hörte ich aus diesem Vorwurf Zuneigung und Stolz auf das Temperament des Jungen heraus. Es belustigte mich auf eine andere Art. Eine sehr viel zurückhaltendere Bemerkung aus meinem Mund, als ich in des Prinzen Alter war, hätte mir eine gehörige Kopfnuss eingetragen. Der alte Mann war weich geworden. Ich hoffte, er würde seine Nachsicht der Keckheit des Jungen gegenüber nicht bereuen müssen. Prinzen, dachte ich bei mir, brauchten eine festere Hand als andere in ihrem Alter, zur Vorbereitung auf ihr späteres Amt.
    Ich wechselte das Thema. »Dann hast du angefangen, ihn in der Gabe zu unterweisen?« Mein Tonfall verriet nicht, was ich davon hielt.
    »Ich habe es versucht«, brummte Chade und der seine drückte Resignation aus. »Ich komme mir vor wie ein Maulwurf, der einer Eule von der Sonne erzählt. Ich habe die Schriftrollen studiert, Fitz, und ich habe mich bemüht, die Meditationen und Übungen nachzuvollziehen, die darin beschrieben werden. Und manchmal – manchmal glaubte ich fast, etwas zu spüren. Aber ich vermag nicht zu sagen, ob es ein Ergebnis der Meditation war oder nur eines alten Mannes Wunschdenken.«
    »Ich hatte dich gewarnt. Man lernt die Gabe nicht aus Aufzeichnungen und auch nicht das Lehren der Gabe. Die Meditationen sind eine Vorbereitung, aber dann muss ein Kundiger es dir zeigen.«
    »Das ist der Grund, weshalb ich nach dir geschickt habe«, trumpfte er auf. »Nicht nur weil du der Einzige bist, der den Prinzen in der Gabe unterweisen kann, so wie es sein muss, du bist auch der Einzige, der fähig ist, ihn mittels der Gabe aufzuspüren.«
    Ich

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