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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Fahnen, die man verschont hatte, waren sauber und frei von Spinnweben.
    In der Küche jedoch herrschte nach wie vor Köchin Sara. Ich trat in den Dampf und die Gerüche und fühlte mich in meine Kindheit zurückversetzt. Wie von Chade beschrieben, thronte die hoch betagte Köchin auf einem Sessel und führte von dort das Regiment, statt zwischen Herd und Tisch hin und her zu watscheln, doch offensichtlich wurde in Bocksburg die Kochkunst noch auf die gleiche Art geübt wie früher. Ich löste den Blick von Saras üppiger Gestalt, damit sie nicht aufmerksam wurde und mich womöglich erkannte. Bescheiden zupfte ich am Ärmel eines Küchenjungen, um ihn von Fürst Leuenfarbs Wunsch nach einem Frühstück in Kenntnis zu setzen. Der Junge zeigte auf die Tabletts, das Geschirr und Besteck und wies dann mit einer weitausholenden Armbewegung auf die Reihe der riesigen Kochherde. »Du bist sein Diener, nicht ich«, beschied er mich frech und widmete sich wieder dem Rübenschnippeln. Ich machte ein böses Gesicht, doch insgeheim war ich ihm dankbar. Im Nu hatte ich ein Tablett reich beladen mit guten Dingen und machte mich auf den Rückweg.
    Auf halber Treppe hörte ich eine bekannte Stimme reden, im Gespräch mit anderen. Ich blieb stehen und beugte mich über die Balustrade. Unwillkürlich musste ich lächeln. Königin Kettricken schritt unten einher, ein halbes Dutzend Hofdamen bemühten sich redlich, mit ihr gleichauf zu bleiben. Ich kannte keine von ihnen, sie waren alle jung, nicht über Zwanzig. Als ich Bocksburg den Rücken kehrte, hatten sie noch mit Puppen gespielt. Eine kam mir bekannt vor, aber vielleicht war es die Mutter, die ich in ihren Zügen sah. Mein Blick blieb an der Königin haften.
    Wie früher trug Kettricken das reiche, goldene Haar geflochten und zu einer Zopfkrone aufgesteckt. Ihr Kleid war braunrot mit einem bestickten, gelben Umhang, und ihre Röcke raschelten beim Gehen. Die Damen ahmten ihren schlichten Stil nach, jedoch ohne die gleiche Wirkung, denn es war Kettrickens innere Anmut, die das schmucklose Gewand adelte. Obwohl fünfzehn Jahre älter, war ihre Haltung aufrecht und ihr Schritt federnd. Sie bewegte sich zielstrebig, doch ihre Miene wirkte geistesabwesend, als wäre sie mit den Gedanken woanders. Wahrscheinlich beschäftigte sie das Schicksal ihres Sohnes, und dennoch erfüllte sie ihre Pflichten als Königin. Mein Herz stand still bei ihrem Anblick. Ich musste denken, wie stolz Veritas auf seine Gemahlin gewesen wäre. »Oh meine Königin«, sagte ich leise vor mich hin.
    Ihr Fuß stockte und beinahe glaubte ich zu hören, wie sie scharf den Atem einsog. Sie schaute sich um und dann nach oben, und über die Entfernung hinweg trafen sich unsere Blicke. Ich konnte es spüren. Für einen Sekundenbruchteil waren wir mit den Augen verbunden, aber ihr Gesicht drückte nur Verwunderung aus, kein Erkennen.
    Jemand gab mir eine derbe Kopfnuss. Ich drehte mich zu meinem Angreifer herum, eher verdutzt als wütend. Ein Höfling, größer als ich, schaute mit strenger Missbilligung auf mich hinab und fühlte sich berufen, einen barschen Tadel auszusprechen. »Offenbar bist du neu hier am Hof, Bursche. Hier ist den Dienern nicht gestattet, unsere Königin mit unverschämtem Gaffen zu beleidigen. Spute dich, und tu deine Arbeit, und vergiss nicht wieder, wo dein Platz ist, oder bald wirst du keinen Platz mehr haben, wo es dir so gut geht wie hier.«
    Ich senkte den Blick auf das beladene Frühstückstablett und bemühte mich, meinen Zorn zu beherrschen. Mein Gesicht brannte. Es kostete mich gewaltige Anstrengung, meine Demutshaltung beizubehalten und eilfertig zu nicken. »Vergebung, Herr. Ich werde es nie wieder tun.« Ich hoffte, er würde aus meiner gepressten Stimme Verschüchterung heraushören und nicht Wut.
    Mit weißen Knöcheln das Tablett umklammernd, stieg ich weiter die Treppe hinauf, während er hinunterging, und versagte mir einen zweiten Blick über die Balustrade, um zu sehen, ob die Königin mir nachschaute.
    Ein Diener. Ein Diener. Ich bin ein treuer, gut ausgebildeter Kammerdiener. Ich bin erst kürzlich vom Lande gekommen, doch mit besten Empfehlungen und an Disziplin gewöhnt. Gewöhnt, mich zu bücken, den Blick nicht zu heben. Oder? Als ich hinter Fürst Leuenfarb die Burg betrat, hing Veritas’ Klinge in ihrer schmucklosen Scheide an meinem Gürtel. Der ein oder andere musste die Waffe bemerkt haben. Meine wettergegerbte Haut, die schrundigen Hände wiesen mich als jemanden

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