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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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›Schäferwurz‹. Ich hatte nie davon gehört. Des Weiteren warnte mich der Text davor, ›meines Partners Selbstbarriere zu spalten‹, weil ich damit sein ›Anma zerstreuen‹ könnte. Ich blickte ratlos zu Chade auf. Er seufzte. »Ich dachte, du wüsstest, was das heißt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Falls Galen eine Ahnung hatte, was diese Vokabeln bedeuten, hat er mich nicht an seinen Erkenntnissen teilhaben lassen.«
    Chade schnaubte geringschätzig. »Ich möchte wetten, dass dieser ›Gabenmeister‹ die Schriften nicht einmal lesen konnte.« Er legte die Stirn in Falten. »Die Hälfte jeder Kunst besteht darin, das Vokabular und Idiom zu verstehen, dessen die Eingeweihten sich bedienen. Mit der Zeit könnten wir die Bedeutung vielleicht ausklamüsern, unter Zuhilfenahme von Hinweisen aus anderen Aufzeichnungen. Aber genau das haben wir nicht – Zeit. Mit jeder Sekunde, die vergeht, besteht die Gefahr, dass der Prinz weiter von Bocksburg weggebracht wird.«
    »Oder er ist immer noch hier in der Nähe. Chade, wie oft hast du mich ermahnt, nicht zu handeln, nur um einfach etwas zu tun. Wenn wir blindlings losstürmen, stürmen wir vielleicht in die falsche Richtung. Erst denken, dann handeln.«
    Es war mir überaus eigenartig vorgekommen, meinen Lehrer an seine eigenen Lehren zu erinnern. Ich sah ihn widerstrebend nicken. Während er über den altertümlichen Schriften brütete, leise vor sich hinmurmelte und aus seiner Feder eine ordentliche Übersetzung auf das Papier floss, hatte ich den leichteren Text studiert. Ich las ihn einmal, dann ein zweites Mal, in der Hoffnung, er würde sich mir dann besser erschließen. Beim dritten Durchlesen war ich über den krakeligen, verblassten Zeilen eingenickt. Chade hatte sich über den Tisch gebeugt und sanft mein Handgelenk umfasst. »Geh zu Bett, mein Sohn«, befahl er mir. »Müdigkeit macht den Kopf dumm und für diese Aufgabe brauchst du einen frischen, ausgeruhten Verstand.« Ich hatte mich gefügt, war gegangen und ließ ihn allein zurück, zwischen Staub und Rätseln und brüchigem Pergament.
    Ich drehte mich auf den Rücken. Die unzähligen Stufen, die ich heute hinauf und hinunter gestiegen war, steckten mir in den Beinen. Nun, solange ich keinen Schlaf fand, konnte ich ebenso gut versuchen, dem verschwundenen Prinzen auf die Spur zu kommen.
    Ich befreite meinen Verstand von allen eigenen Sorgen und bemühte mich, ausschließlich an meinen letzten Traum von dem Jungen und der Katze zu denken. Ich rief mir ihren Überschwang in Erinnerung, ihre wilde Freude an der Nacht und der Jagd. Ich beschwor die Düfte herauf, die undefinierbare Aura eines Traums, der nicht der meine war. Fast konnte ich hineintauchen, aber nicht das war mein Ziel, sondern ein zerbrechliches Gabenband wiederzubeleben, dessen ich mir seinerzeit nicht bewusst gewesen war.
    Prinz Pflichtgetreu. Mein leiblicher Sohn. Diese Bezeichnungen besaßen für mich kein gefühlsmäßiges Gewicht, dennoch störten sie mich bei dem, was ich zu tun versuchte. Mein vorgefasstes Bild von Pflichtgetreu, die idealisierten Vorstellungen, wie ein Spross von meinem Fleisch und Blut beschaffen sein könnte, drängten sich zwischen mich und die hauchfeinen Gabenfühler, die ich zu entwirren suchte. Durch die steinernen Knochen der Burg drang von irgendwo innerhalb der Mauern Musik zu mir her. Ich blinzelte in die Dunkelheit. Jedes Zeitgefühl war mir verlorengegangen, um mich herum herrschte tiefe Nacht. Ich hasste diese fensterlose Kammer, abgeschlossen von der lebendigen Welt. Ich hasste dieses Eingesperrtsein. Ich hatte zu lange mit dem Wolf gelebt, um es erträglich zu finden.
    Frustriert ließ ich die Gabe sein und spürte mit der Alten Macht nach meinem Gefährten. Ich traf auf die Barrieren, hinter denen er sich in letzter Zeit so oft verbarg. Er schlief, und als ich mich gegen seine Mauern lehnte, fühlte ich das dumpfe Pulsieren von Schmerzen in seinen Hüftgelenken und dem Rücken. Als ich merkte, dass meine Konzentration auf seine Schmerzen diese in den Vordergrund seines Bewusstseins drängte, zog ich mich rasch zurück Ich hatte keine Angst oder böse Vorahnungen in ihm wahrgenommen, nur Müdigkeit und das Murren alter Knochen. Ich hüllte ihn in meine Gedanken, labte mich dankbar an seinen Sinneseindrücken.
    Ich schlafe, tat er mir brummig kund. Dann: Du machst dir Sorgen wegen irgendetwas?
    Unwichtig. Ich wollte mich nur überzeugen, ob es euch gut geht.
    O ja, uns geht es ausgezeichnet. Wir

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