Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
allein auf mein Wort hin, dass ich es fertig bringen könnte. Anschließend ließ er es sich nicht nehmen, die fertigen Amulette anzuschauen und kaufte nicht weniger als sechs Stück. Sechs! Eins für süße Träume, eins für unbeschwerten Sinn, ein anderes, um Vögel anzulocken – o, besonders davon schien er verzaubert zu sein, als sei er selbst ein Vogel. Doch als ich ihn bat, mir seine Hand zu geben, damit ich die Amulette auf ihn abstimmen könne, antwortete er mir, sie wären als Präsent gedacht. Ich sagte ihm, er könne die betreffenden Personen zu mir schicken, damit ich die Amulette auf jeden persönlich abstimme, aber bis jetzt ist keiner gekommen. Sei’s drum, so, wie ich sie gemacht habe, dürften sie auch ohne das ihre Wirkung tun. Trotzdem ist es mir wichtig ein Amulett einzurichten. Das macht den Unterschied zwischen einem nach Schema angefertigten Amulett und dem von einem Meister nach Maß geschaffenen. Und ich betrachte mich als einen Meister meines Fachs – mit Verlaub!«
Die letzten Worte fügte sie mit einem versteckten Lachen in der Stimme hinzu, auf meine hochgezogenen Augenbrauen hin. Wir lachten zusammen, und ich hatte nicht das Recht, mich in ihrer Gesellschaft so wohl zu fühlen wie ich es tat. »Mir ist jetzt viel leichter ums Herz, seit ich weiß, dass Harm bei dir Aufnahme finden kann«, erklärte ich. »Ich weiß, er ist ein guter Junge und meiner Obhut eigentlich längst entwachsen, doch ich fürchte, ich werde mein Leben lang Sorge haben, ihm könnte ein Unglück geschehen.«
Beachte mich! , forderte Finkel. Er hüpfte auf den Tisch. Jinna setzte ihn zu Boden. Er schmeichelte sich zurück auf ihren Schoß. Sie streichelte ihn geistesabwesend.
»Das gehört dazu, dass man sich Sorgen macht als Vater«, versicherte sie mir. »Oder als Freund.« Ein seltsamer Ausdruck trat auf ihr Gesicht. »Ich neige selbst dazu, mir närrische Sorgen zu machen, sogar in Angelegenheiten, die mich überhaupt nichts angehen.« Sie schaute mich an, auf eine unverhohlen prüfende Art, die mich Böses ahnen ließ. »Nimm es mir nicht übel, wenn ich offen spreche.«
»Nur zu«, forderte ich sie auf, aber im tiefsten Innern wünschte ich mir, sie möchte es bleiben lassen.
»Du bist einer von denen mit der Alten Macht«, sagte sie. Es war keine Beschuldigung. Es hörte sich an, als äußerte sie sich zu einer unangenehmen Krankheit. »In meinem Gewerbe komme ich viel herum, mehr als du vermutlich in den letzten Jahren. Die Stimmung unter den Leuten gegenüber denen mit der Alten Macht ist umgeschlagen. Argwohn und Hass, Tom, überall, wo ich in letzter Zeit gewesen bin. Ich war nicht dabei, aber ich hörte, dass man in einem Dorf in Farrow die gevierteilten Leichen von Zwiehaften öffentlich zur Schau gestellt haben soll, jedes Teil in einem gesonderten Käfig, damit sie sich nicht wieder zusammenfügen und als Untote umgehen können.«
Ich verzog keine Miene, aber mir war, als würde ich in Eiswasser getaucht. Prinz Pflichtgetreu. Entführt oder weggelaufen, doch in jedem Fall schutzlos. Außerhalb der Burgmauern, unter Menschen, die zu solchen Abscheulichkeiten imstande waren, schwebte der junge Prinz in Lebensgefahr.
»Ich bin eine Krudhexe«, fuhr Jinna leise fort. »Ich weiß, wie es ist, von Geburt an magische Kräfte zu haben. Man kann es nicht ändern, selbst wenn man wollte. Mehr noch, ich weiß, wie es ist, eine Schwester zu haben, die ohne derartige Kräfte geboren wurde. Manchmal erschien sie mir so frei, so unbeschwert. Sie konnte ein Amulett anschauen, das mein Vater gemacht hatte, und für sie waren es nur Hölzchen und Perlen. Niemals sprach es zu ihr, raunend, in ihrem Kopf, drängte, forderte. Die Stunden, die ich bei meinem Vater lernte, waren die Stunden, die sie bei meiner Mutter in der Küche verbrachte. In unserer Kindheit und Mädchenzeit beneideten wir uns gegenseitig, glaubten jede von der anderen, sie habe den besseren Teil bekommen, aber wir waren eine Familie und lernten unsere Verschiedenartigkeit anzunehmen.« Sie lächelte in der Erinnerung, dann schüttelte sie den Kopf und ihr Gesicht wurde wieder ernst. »Draußen, in der weiten Welt, ist es anders. Zwar drohen die Menschen mir nicht, mich in Stücke zu reißen oder zu verbrennen, doch aus mehr als einem Augenpaar haben mir Hass und Neid entgegengestarrt. Entweder denken die Leute, es ist nicht gerecht, dass ich etwas besitze, das ihnen vorenthalten ist, oder sie fürchten, ich könnte ihnen mit meinen Kräften
Weitere Kostenlose Bücher