Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
an seinen Manschetten. Mit einem kleinen Lächeln der Belustigung darüber, dass es ihm gelungen war, mir zuvorzukommen, blickte er zu mir auf. Das Lächeln erlosch. Eine Zeitlang starrte er mich nur an, mit offenem Mund. Dann leuchteten seine Augen auf. »Perfekt«, hauchte er. »Genau, wie ich gehofft hatte. Fitz, ich war immer überzeugt, dass ich dich herausstaffieren könnte, wie es dir gebührt, wenn ich nur die Gelegenheit hätte. Und nun sieh dich an.«
Dass er mich mit meinem Namen ansprach, war schon erstaunlich genug, aber mehr noch die Art, wie er meine Schultern umfasste und mich vor den mannshohen Spiegel schob. Im ersten Moment schaute ich nur auf sein widergespiegeltes Gesicht über meiner Schulter, das vor Stolz und Befriedigung leuchtete. Dann wanderte mein Blick weiter und ich starrte auf das Abbild eines Mannes, den ich kaum erkannte.
Die Anweisungen des Narren an Meister Scrandon mussten auf den Zentimeter genau gewesen sein. Das Wams lag eng um meine Schultern und Brust; an Kragen und Ärmeln blitzte das weiße Hemd hervor. Die Farbe des Wamses war Weitseherblau, die Farbe meines Geschlechts, und auch wenn ich sie nun als Diener trug, war das Wams nicht auf einen Lakaien gepasst, sondern auf einen Soldaten. Durch den Schnitt wirkten meine Schultern breit und mein Bauch flach. Der weiße Hemdstoff betonte meinen dunklen Teint, die dunklen Augen und Haare. Ich verlor mich staunend in der Betrachtung meines eigenen Gesichts. Die Grelle der Narben war mit meiner Jugend vergangen. Falten hatten sich in meine Stirn gekerbt, nisteten in meinen Augenwinkeln, und durch ihr Vorhandensein milderten sie die Spuren alter Wunden. Mit dem Knick meiner gebrochenen Nase hatte ich mich längst abgefunden. Die weiße Strähne in meinem Haar fiel weniger auf, seit ich es zurückgekämmt und im Nacken zusammengefasst trug. Der Mann, der mich aus dem Spiegel anschaute, erinnerte mich an Veritas, aber mehr noch an das Portrait von König-zur-Rechten Chivalric in der großen Halle in Bocksburg.
»Ich sehe aus wie mein Vater«, bemerkte ich. Die Erkenntnis freute und erschreckte mich zugleich.
»Nur für jemanden, der nach einer Ähnlichkeit sucht«, erwiderte der Narr. »Nur jemand, der so gut Bescheid weiß, dass er hinter die Narben schaut und die Züge der Weitseher erkennt. Hauptsächlich, mein Freund, siehst du aus wie du selbst, nur mehr als sonst. Du siehst aus wie der FitzChivalric, der immer da war, aber verborgen von Chades Weisheit und seiner meisterhaften Tarnung. Hast du dich nie über den Schnitt deiner Kleidung gewundert, schlicht und fast bäurisch, sodass man in dir eher den Stallburschen vermutete als den Bastard eines königlichen Prinzen? Mamsell Hurtig, die Schneidermeisterin, glaubte immer, ihre Anweisungen kämen von Listenreich. Selbst wenn es ihr erlaubt war, in modischem Schnickschnack zu schwelgen, waren es stets solche Extravaganzen, die um ihrer selbst willen Aufmerksamkeit erregten und Bewunderung für Mamsell Hurtigs Nähkünste, und darüber von dem Eigentlichen ablenkten, von dir. Aber dies hier, Fitz, dies ist, wie ich dich immer gesehen habe. Und wie du selbst dich nie sehen durftest.«
Ich schaute wieder in den Spiegel. Ich denke, es ist die Wahrheit, wenn ich sage, dass ich nie besonders eitel gewesen bin. Es dauerte einen Moment, bis ich begriffen hatte, dass die vergangenen Jahre eine Zeit der Reifung gewesen waren, nicht der Degeneration. »Ich sehe gar nicht so übel aus«, musste ich zugeben.
Das Lächeln des Narren wurde breiter. »Ach, mein Freund, ich bin an Orten gewesen, wo die Frauen mit Messern um dich gekämpft hätten.« Gedankenverloren rieb er sich das Kinn. »Und ich fürchte, ich muss mich fragen, ob mein kleiner Streich nicht allzu gut gelungen ist. Du wirst nicht mehr umhergehen können, ohne dass man Notiz von dir nimmt. Andererseits – umso besser. Schäkere ein wenig mit den Mägden in der Küche und wer weiß, welche Geheimnisse sie dir ins Ohr flüstern.«
Ich zog eine Grimasse. Im Spiegel trafen sich unsere Blicke. »Nichts dem Auge Wohlgefälligeres als uns beide haben diese hohen Hallen je gesehen«, behauptete er im Brustton der Überzeugung. Er drückte meine Schulter, dann richtete er sich auf, von einem Lidschlag zum anderen wieder Fürst Leuenfarb. »Dachsenbless. Die Tür. Man harrt unseres Erscheinens.«
Ich beeilte mich den Befehl meines Herrn auszuführen. Dieser kurze Moment der Vertrautheit mit dem Narren hatte meine Bereitschaft,
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