Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
lind, mit einem Vollmond, wie ihn die Wölfe anzuheulen lieben.«
»Tatsächlich?« Er trat mit raschen Schritten ans Fenster und schaute zu Nachtauge hinunter. Das Lächeln, das sein Gesicht erhellte, verriet aufrichtige Freude. Er atmete tief und genussvoll ein, als labte er sich an der balsamischen Luft. »Eine wunderbare Nacht, fürwahr. Ihre Kinder werden im Schutz ihres Mantels auf der Jagd sein. Mögen wir bei Tage ebenso erfolgreich jagen wie sie im Dunkel. Schade, dass wir bis morgen warten müssen, aber lassen wir’s uns nicht verdrießen. Ich bin zu einem späten Nachtmahl mit Lady Bresinga und ihrem Sohn gebeten, doch hat man mir ein Weilchen Urlaub gegeben, um den Staub der Reise abzuwaschen. Selbstverständlich wird Er mich zu diesem Souper begleiten.«
»Selbstverständlich, Euer Gnaden.« Meine Stimmung sank. Eigentlich hatte ich gehofft, heimlich aus dem Fenster steigen zu können, um zusammen mit Nachtauge die örtlichen Gegebenheiten auszukundschaften.
Das kann ich besser allein. Ich werde draußen wittern und äugen, du tust drinnen ein Gleiches. Je eher wir diese Mission beendet haben, desto schneller können wir uns wieder auf den Weg nach Hause machen.
Du hast Recht , stimmte ich ihm zu, doch im Stillen wunderte ich mich, dass mir das Herz nicht aufging bei der Aussicht, wieder nach Hause zu kommen. Wollte ich etwa nicht so bald wie möglich Bocksburg den Rücken kehren und mein altes Leben wieder aufnehmen? Fand ich etwa Gefallen an meiner Rolle als Leibdiener eines blaublütigen Gecken?
Ich nahm Fürst Leuenfarb den Rock ab und war ihm anschließend behilflich, sich der Stiefel zu entledigen. Wie ich es Charim oft hatte tun sehen, ohne darauf zu achten, bürstete ich den Rock ab, bevor ich ihn aufhängte und wischte rasch die Stiefel blank. Als der Fürst mir die Arme hinstreckte, nahm ich die Diamantknöpfe aus den Spitzenmanschetten und legte sie behutsam zur Seite. Er ließ sich gegen die hohe Stuhllehne sinken. »Ich gedenke zum Souper mein blaues Wams zu tragen. Das Leinenhemd mit dem feinen blauen Streifen. Die dunkelblaue Hose, denke ich, und die Schuhe mit der Silberkette als Besatz. Leg Er die Sachen für mich bereit. Dann füll’ Er die Wanne, Dachsenbless, und sei Er nicht schüchtern mit dem Rosenöl. Oh, und ich möchte Ihn bitten, dass Er einen Krug Wasser mit in Seine Kammer nimmt und fleißig Gebrauch davon macht. Bei Tisch möchte ich mich am Aroma der Speisen erfreuen und nicht an Seinem Hautgout. Noch Eines: Er wird für die Okkasion in sein Dunkelblaues schlüpfen. Das I-Tüpfelchen zu meiner eigenen Toilette. Und leg Er auch dies hier an, doch ich rate Ihm, es verborgen zu halten, bis Er es wirklich zu brauchen meint.« Er zog Jinnas Amulett aus der Tasche; schlangengleich ringelte es sich auf seinem Handteller.
All das verkündete er im Tonfall gut gelaunter Jovialität, mit der Miene eines Menschen, der außerordentlich mit sich zufrieden ist. Er schwelgte in Vorfreude auf ein festliches Mahl mit angenehmer Konversation und erlesenen Getränken. Ich führte die Aufträge aus und zog mich, sobald alles getan war, mit einer Kanne Wasser und dem Flakon mit Apfelöl in das für mich bestimmte Vorzimmer zurück. Bald hörte ich den Fürsten lustig plantschen und dazu eine Melodie summen, die ich nicht kannte. Meine eigene Waschung fiel etwas bescheidener aus, doch ich empfand sie ebenfalls als Wohltat. Ich beeilte mich, weil ich vorhersah, dass meine Dienste schon bald wieder verlangt werden würden.
Das neue Wams bereitete mir Probleme, weil es enger auf Taille gearbeitet war als was ich sonst anhatte. Es bot kaum Spielraum, um Chades Rolle mit Werkzeug zu verstecken, erst recht nicht den kleinen Dolch, auf den ich nicht verzichten wollte. Mit einem Schwert an der Hüfte im Speisesaal zu erscheinen, hätte einen schlechten Eindruck gemacht, aber ganz unbewaffnet wollte ich nicht sein. Die Vorsicht des Wolfs beim Gebrauch der Alten Macht heute Abend hatte mich beunruhigt. Ich schnallte den Gürtel zu und fasste dann mein Haar im Nacken zum Kriegerzopf zusammen. Ein paar Tropfen von dem Apfelöl machten es glatt und verliehen Glanz.
Ich bemerkte, dass ich schon seit einer Weile kein Plätschern mehr gehört hatte, und eilte zurück in das Gemach meines Herrn. »Kann ich Euch behilflich sein?«
»Kaum.« Eine Andeutung des Narren verbarg sich in Fürst Leuenfarbs Sarkasmus. Er kam hinter dem Paravent hervor, vollkommen angekleidet, und ordnete den Fall der Spitzen
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