Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
beiden Händen meinen Arm dicht über dem Ellenbogen, und wieder tasteten seine Finger und wieder kniffen sie erbarmungslos zu.
»Hör auf.« Ich wollte von ihm abrücken, doch er folgte mir, und der Schmerz in meinem Kopf war so furchtbar, dass ich nicht fliehen konnte. Weshalb quälte er mich so?
»Sträube dich nicht«, bat er. »Hab Vertrauen. Ich kann dir helfen.« Seine Hände wanderten weiter, zu meiner Schulter hinauf, und wieder stachen seine Fingerspitzen in mein Fleisch. Ich stöhnte, und dann waren die Hände links und rechts an meinem Hals, die Finger drückten zu und nach oben, als wollte er mir den Kopf abreißen. Ich umklammerte seine Handgelenke, aber ich hatte keine Kraft. »Halt aus, nur noch einen Augenblick«, beschwor er mich. »Fitz, Fitz, vertrau mir. Hab Vertrauen.«
Dann brach die Spannung entzwei. Mein Kopf sank pendelnd nach vorn auf die Brust. Der Schmerz war nicht verschwunden, aber bis zu einem erträglichen Grad gemildert. Ich kippte zur Seite, er rollte mich auf den Rücken. »Nun, nun«, sagte er, und sekundenlang starrte ich in wohltuende Schwärze. Dann kamen wieder die marternden Hände wieder, die Daumen auf meiner Stirn, die Spitzen der gespreizten Finger suchten Punkte an meinen Schläfen und den Seiten des Gesichts und pressten gnadenlos, die kleinen Finger bohrten sich in die Höhlung hinter dem Kiefergelenk.
»Atme, Fitz«, hörte ich ihn sagen, und dann merkte ich, dass mir der Atem gestockt war. Ich schnappte nach Luft, und plötzlich war alles schwerelos leicht. Ehe ich vor Erleichterung in Tränen ausbrechen konnte, war ich schon in einen tiefen Schlummer gesunken. Ich träumte einen seltsamen Traum. Ich träumte, ich wäre in Sicherheit.
Vor Tagesanbruch erwachte ich benommen. Ich merkte, ich lag im Bett des Narren. Er schien gerade aufgestanden zu sein, ging auf Zehenspitzen durchs Zimmer und suchte seine Garderobe zusammen. Wahrscheinlich spürte er meinen Blick, denn er kam zum Bett zurück. Er berührte meine Stirn, drückte meinen Kopf zurück aufs Kissen. »Schlaf weiter. Du hast noch etwas Zeit, um zu ruhen, und ich glaube, du kannst jede Minute brauchen.« Zwei von Spitzen umhüllte Finger zeichneten eine Doppellinie vom Haaransatz zum Nasenrücken. Ich schlief ein.
Das nächste Mal wachte ich auf, weil er mich sanft schüttelte. »Auf zum fröhlichen Jagen«, sagte er, als ich die Augen aufschlug. »Ich fürchte, du musst dich beeilen.«
Ich bewegte vorsichtig den Kopf. Schmerzen im Genick und die ganze Wirbelsäule hinunter. Steif setzte ich mich auf. Ich fühlte mich wie nach einer Rauferei – oder wie nach einem Anfall. An der Innenseite meiner Wange war eine wunde Stelle, als hätte ich mich gebissen. Mit abgewendetem Gesicht fragte ich: »Habe ich letzte Nacht einen Anfall gehabt?«
Er antwortete nicht gleich. »Einen kleinen vielleicht. Du hast im Schlaf den Kopf herumgeworfen und gezittert. Ich habe dich festgehalten. Es ging vorüber.« Er mochte ebenso wenig darüber sprechen wie ich.
Schwerfällig zog ich mich an. Alle Knochen taten mir weh. Mein linker Arm war von den Fingern des Narren gezeichnet: kleine, dunkel blutunterlaufene Kreise. Also hatte ich mir die Kraft seiner Griffe nicht eingebildet. Er sah, wie ich meinen Arm untersuchte und verzog mitfühlend das Gesicht. »Die Methode hinterlässt blaue Flecken, aber manchmal scheint sie zu helfen«, war alles, was er mir an Erklärung zuteil werden ließ.
Der Morgen eines Jagdtages sah auf Burg Tosen nicht viel anders aus als auf der Bocksburg. Verhaltene Erregung hing in der Luft. Das Frühstück wurde stehend im Burghof eingenommen, die Bemühungen des Küchenpersonals kaum zur Kenntnis genommen. Ich beschränkte mich auf einen Humpen Bier, mehr wollte ich meinem Magen noch nicht zumuten, allerdings hatte ich die Voraussicht, wie Laurel etwas Mundvorrat in meine Satteltaschen zu packen und mich zu überzeugen, dass meine Wasserflasche frisch gefüllt war. Laurel steckte mitten im Gewimmel. Als ich sie entdeckte, war sie sehr beschäftigt und redete mit mindestens vier Leuten gleichzeitig. Fürst Leuenfarb flanierte durch die Menge, grüßte huldvoll nach links und rechts. Lord Wisenvogels Tochter wich ihm nicht von der Seite, lächelte und schwatzte ununterbrochen, und der Fürst widmete sich ihr mit galanter Aufmerksamkeit. Schien Jung-Gentil ein wenig vergrätzt zu sein?
Die Pferde wurden herausgeführt, gesattelt und blitzblank geputzt. Meine Schwarze schien von dem Getriebe nicht
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