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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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veränderte sich ihr Gesicht. Sie leuchtete wie eine Laterne in der Dunkelheit. Auch die Miene ihres Verehrers veränderte sich, allerdings auf weniger angenehme Weise. Er konnte schwerlich mit einem Gast im Haus seiner Mutter eine Prügelei anfangen, aber sein Gesicht wurde sehr hart und sehr kalt. Mein Magen zog sich zusammen. Nein. Ich wollte mit dem, was sich hier anbahnte, nichts zu tun haben.
    Leuenfarb jedoch, lächelnd, strahlend, hielt stracks auf das Paar zu. Seine Begrüßung der übrigen Anwesenden war flüchtig bis zur Unhöflichkeit. Ohne auch nur den Versuch, den Anstand zu wahren, setzte er sich zwischen sie und zwang Gentil, ihm Platz zu machen. Von diesem Augenblick an, als gäbe es niemanden in dem Gemach außer ihr und ihm, konzentrierte er seinen geballten Charme auf die kleine Baroness. Dicht beieinander neigten ihre Köpfe sich über die Federn. Jede kleinste seiner Gesten war erotische Verführung. Seine langen Finger streichelten die bunten Federn. Er wählte eine davon aus, legte sie erst an seine eigene Wange und ließ sie dann sanft an Sydels Arm entlanggleiten. Sie kicherte nervös und wich der Berührung aus. Er lächelte. Sie errötete. Er legte die Feder zurück auf das Tuch und drohte dem missbrauchten Ding mit dem Finger, als wäre es unartig gewesen. Dann griff er nach einer ihrer Schwestern, hielt sie kühn an den Ärmel von Sydels Gewand und raunte etwas über die Harmonie der Farben. Er nahm weitere Federn aus der Sammlung und arrangierte sie zu einer Art Bouquet. Mit der Spitze seines Zeigefinger drehte er das Gesicht der kleinen Baroness herum, bis sie ihn anschaute und dann, mit einem Kniff, den ich nicht sehen konnte, befestigte er die Federn in ihrem Haar, sodass sie in einer anmutiger Rundung der Form ihrer Wange folgten.
    Gentil fuhr von seinem Stuhl auf und entfernte sich. Seine Mutter sagte etwas zu einer ihrer Damen, die ihm rasch in den Weg trat, bevor er aus dem Gemach stürmen konnte. Es gab einen mit gedämpfter Stimme geführten Wortwechsel und der Tonfall des jungen Mannes verriet seine aufgewühlte Gemütsverfassung. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, denn Fürst Leuenfarbs Stimme erhob sich über das Summen der Gespräche im Raum und erklärte: »Hätte ich doch einen Spiegel, worinnen Ihr die Wahrheit meiner Worte erkennen könntet, aber so müsst Ihr’s zufrieden sein, in meinen Augen zu lesen, wie köstlich dieser Schmuck Euch kleidet.«
    Am Vormittag war ich noch empört darüber gewesen, wie keck Sydel sich an Lord Leuenfarb heranmachte und wie rasch sie bereit war, ihren jungen Verehrer für diesen glamourösen, geheimnisumwitterten Fremden fallen zu lassen. Jetzt tat sie mir beinahe Leid. Man hört von Vögeln, die vom Blick einer Schlange gebannt werden, sodass sie ihr nicht entrinnen können, auch wenn ich es mit eigenen Augen noch nicht gesehen hatte. Sydel aber erinnerte mehr an eine Blume, die sich der Sonne zuwendet. Sie trank seine Aufmerksamkeit und erblühte in seiner Wärme. Innerhalb weniger Momente hatte sich ihre mädchenhafte Schwärmerei für einen älteren, reichen Galan zu einem fraulicheren Gefühl gewandelt. Ich wusste mit bedrückender Gewissheit, dass sie sich ihm hingeben würde, wenn er es darauf anlegte. Sollte er heute Nacht an ihre Tür klopfen, würde sie ihn ohne Zögern einlassen.
    »Er geht zu weit.« Laurels tonloses Wispern im Vorbeigehen spiegelte meine eigene Bestürzung.
    »Darin ist er Meister.« Ich rollte die Schultern im Gefängnis des grellgrünen Wamses. Gut möglich, dass ich heute Nacht beweisen musste, ob ich die Rolle des Leibwächters auch in der Wirklichkeit auszufüllen vermochte. Die Blicke jedenfalls, die Gentil seinem Nebenbuhler zuwarf, sprachen Mord.
    Als Lady Bresinga verkündete, es sei angerichtet, zögerte Gentil einen Wimpernschlag zu lange. Ehe er auch nur die Gelegenheit hatte, sich demonstrativ zu weigern, Sydel zu Tisch zu führen, hatte ihr bereits sein Rivale den Arm geboten und die abtrünnige Verlobte ihn genommen. Für Gentil blieb die Pflicht, an der Seite seiner brüskierten Mutter dem illustren Gast und seiner Beute in den Speisesaal zu folgen.
    Ich zwang mich, meine Gefühle im Zaum zu halten und ein stoischer Beobachter der Tafelrunde zu sein. Fürst Leuenfarbs Taktik rief aufschlussreiche Reaktionen hervor. Sydels Eltern fühlten sich dem Anschein nach hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, die guten Beziehungen zu Lady Bresinga aufrechtzuerhalten und sogar zu festigen,

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