Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Pflaume und aß sie auf, während ich am Fenster stand und durch den Spalt zwischen den Vorhängen in den Garten hinunterspähte. Ich fühlte mich erschöpft und gleichzeitig rastlos. Mir fiel nichts Nützliches zu tun ein und keine Beschäftigung, um mir die Zeit zu vertreiben. Sorge und die Ratte der erzwungenen Untätigkeit nagten an mir.
»Hat Er mein Geschmeide gefunden, Dachsenbless?« Fürst Leuenfarbs aristokratisch näselnder Tonfall unterbrach meine Gedanken.
»In der Tat, Euer Gnaden. Genau dort, wo Ihr dachtet, es verloren zu haben.« Ich zog das filigrane Schmuckstück aus der Tasche und ging damit zum Bett, wo er sich in den Kissen räkelte. Er nahm es sichtlich erfreut entgegen, ganz so, als wäre er wirklich ein Edelmann und hätte es wirklich verloren geglaubt. Ich senkte die Stimme. »Nachtauge bleibt für uns auf ihrer Fährte. Sobald man uns hier gehen lässt, können wir ohne Umwege, ohne langes Suchen gleich zu ihm reiten.«
»Wie geht es ihm?«
»Er ist steif. Hat Schmerzen. Aber ich denke, er wird wieder gesund werden.«
»Bestens.« Er setzte sich hin und schwang die Beine über die Bettkante. »Ich habe die Garderobe für heute Abend herausgesucht und sie in deine Kammer gelegt. Wirklich, Dachsenbless, Er muss lernen, sorgsamer mit meinem Gepäck umzugehen.«
»Ich werde mich bemühen, Euer Gnaden«, murmelte ich, aber der Spaß am Spiel wollte nicht wieder erwachen. Ich war der ganzen Scharade herzlich überdrüssig. »Hast du dir einen anständigen Grund einfallen lassen, damit man uns gehen lässt?«
»Nein.« Er schlenderte zum Tisch, wo man für den hochedlen Gast Wein hingestellt hatte. Er goss sich ein Glas ein, leerte es auf einen Zug, schenkte nach. »Aber einen unanständigen habe ich mir ausgedacht und heute Nachmittag schon den Grundstein für das Spektakel gelegt. Nicht ohne Bedauern – Fürst Leuenfarbs Reputation wird ein paar unansehnliche Flecken bekommen –, andererseits, was ist ein rechter Edelmann ohne den Ruch eines kleinen Skandals. Wahrscheinlich steigert es sogar meine Popularität bei Hofe. Alle werden hören wollen, was ich dazu zu sagen haben, und man wird lange aufs Vergnüglichste flüstern und raunen und munkeln.« Er trank einen Schluck. »Wenn ich mit meinem Plan Erfolg habe, wird Lady Bresinga nie und nimmer mehr glauben, dass wir es auf den Prinzen abgesehen haben könnten. Kein geheimer Agent Ihrer Majestät würde sich so schandbar aufführen, wie ich es zu tun beabsichtige.« Er lächelte schief.
»Was hast du getan?«
»Noch nichts. Aber ich wette, morgen früh wird man unseren Abschied so prompt beschleunigen, wie wir es uns nur wünschen können.« Er trank noch einen Schluck. »Manchmal gefällt mir nicht, was ich tun muss«, meinte er wehleidig. Er leerte das Glas, als wappnete er sich für eine besondere Aufgabe.
Mehr an Aufklärung ließ er mir nicht zuteil werden. Er kleidete sich mit großer Sorgfalt an, und ich sah mich zu der Zumutung des grünen Wamses und der gelben Beinlinge gezwungen.
»Vielleicht eine Winzigkeit zu grell.« Mein gequälter Blick nötigte ihm dieses Eingeständnis ab, doch sein breites Grinsen beraubte die entschuldigenden Worte ihrer Glaubwürdigkeit. Ich wusste nicht, ob schon der Wein seine Wirkung entfaltete oder ihn eine seiner wunderlichen Launen überkommen hatte. »Mach Er nicht ein so finsteres Gesicht, Dachsenbless«, tadelte er und richtete die Manschetten seines Rocks in Tannengrün. »Ich erwarte von meinen Bediensteten, dass sie freundlich in die Welt schauen. Außerdem schmeichelt die Farbe deinem dunklen Teint, Haar, den Augen – deiner ganzen Erscheinung. Der Gesamteindruck gemahnt mich an einen exotischen Papagei. Du magst diese Zuschaustellung deiner Person nicht schätzen, aber die Damen – olàlà!«
Ihm zu gehorchen, stellte mein begrenztes Schauspieltalent auf eine harte Probe. Ich trat hinter ihm in das Gemach, wo man sich vor dem Essen versammelt hatte. Der Kreis war größer als am Abend zuvor, denn Lady Bresinga hatte ihre Gastfreundschaft auf benachbarte Familien ausgedehnt, die von gemeinsamen Jagdgesellschaften bekannt und befreundet waren. Was Fürst Leuenfarb anging, hätten sie unsichtbar sein können. Sydel saß mit Jung-Gentil an einem niedrigen Tisch. Eine Auswahl an Federn lag vor ihr auf einem Tuch ausgebreitet, und sie schienen sich darüber zu unterhalten. Offenbar hatte sie die ganze Zeit über die Tür im Auge behalten, denn kaum dass Fürst Leuenfarb eintrat,
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