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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schlagen?
    Noch etwas fiel mir auf. Immer wieder flog Lady Bresingas Blick zu mir und blieb auf mir haften, und ich bildete mir nicht ein, dass sie meine farbenfrohe Tracht bewunderte. Sie machte den Eindruck, als versuche sie, sich an etwas zu erinnern. Ich war fast sicher, dass ich sie in meiner Existenz als FitzChivalric nie getroffen hatte, aber eine letzte, nagende Ungewissheit blieb. Als Lady Bresinga das nächste Mal zu mir hinschaute, begegnete ich ihrem Blick und hielt ihm stand. Ich war nicht so kühn, sie anzulächeln, aber ich öffnete absichtlich die Augen weit und heuchelte erotisches Interesse. Ihre Empörung über des zunehmend impertinenten Lords unverschämten Diener war unübersehbar. Katzengleich ließ sie ihren Blick verschwimmen und schaute durch mich hindurch. Das war der letzte Beweis, den ich noch brauchte. Altes Blut.
    Ich fragte mich, ob sie die Frau war, die des Prinzen Begehren erregt hatte. Sie war keineswegs reizlos. Die vollen Lippen deuteten auf Sinnlichkeit hin. Pflichtgetreu wäre nicht der erste Jüngling, der den Verführungskünsten einer erfahrenen älteren Frau erlag. War das ihr Hintergedanke gewesen, als sie ihm die Katze schenkte? Ihn zu verführen und sein junges Herz zu gewinnen, sodass, auch wenn er später vermählt war, sie immer einen Teil seiner Seele besaß? Es würde erklären, weshalb er hierher gekommen war, als er aus Bocksburg verschwand. Aber, überlegte ich, es erklärte nicht seine unerfüllte Leidenschaft. Nein. Wäre es ihr Plan gewesen, sich den Prinzen hörig zu machen, hätte sie nicht gezögert, das Nötige zu tun. Etwas Merkwürdiges war hier im Gange, etwas Geheimnisvolles, wie der Wolf gesagt hatte.
    Ein kurzer Wink meines Herrn am Ende des Mahls beurlaubte mich. Ich ging, aber widerstrebend. Ich hätte gern beobachtet, welche Reaktionen sein skandalöses Benehmen im weiteren Verlauf des Abends noch hervorrief. Nach dem Essen würde man sich anderen Lustbarkeiten zuwenden: Musik, Glücksspiel, Konversation. Ich verfügte mich in die Küche und wieder fütterte man mich mit dem Besten von den Überbleibseln des Festmahls. Heute hatte man Spanferkel aufgetragen und zwischen den verstreuten Knochen fand sich noch reichlich zartes Fleisch und knusprige Haut. Auch ein Rest der Sauce aus sauren Äpfeln und Beeren war noch da, und das alles, zusammen mit Brot und weichem weißen Käse und etlichen Humpen Bier, ergab eine mehr als ausreichende Mahlzeit, die mir noch besser gemundet hätte, hätte man sich nicht berufen gefühlt, Fürst Leuenfarbs Diener für das tadelnswerte Benehmen seines Herrn zur Rechenschaft zu ziehen.
    Der junge Herr und die Baroness, belehrte mich Lebven in strengem Ton, waren fast vom Tag der Geburt an einander versprochen. Nun, wenn auch nicht offiziell, aber es galt doch in beiden Häusern als beschlossene Sache, dass sie beizeiten vermählt würden. Die Familien Bresinga und Wisenvogel pflegten seit Menschengedenken freundschaftliche Beziehungen, sie waren direkte Nachbarn. Weshalb sollte nicht Lord Wisenvogels Tochter von Lady Bresingas rapidem gesellschaftlichen Aufstieg profitieren? Was fiel meinem Herrn ein, sich zwischen sie zu drängen? Waren seine Absichten ehrenhaft? Würde er Jung-Gentil die Braut entführen, sie zu höfischem Glanz und Reichtum erheben, weit über ihrem Stand? Zeigte er sich in Bocksburg als übler Blender, spielte er mit ihren Gefühlen? War er ein guter Fechter? Denn Gentil war berüchtigt für sein aufbrausendes Temperament und Gastfreundschaft hin oder her, er könnte sich dazu hinreißen lassen, den Nebenbuhler zum Duell zu fordern.
    Zu all dem stellte ich mich unwissend. Ich stünde erst seit kurzem bei Fürst Leuenfarb in Dienst und wäre auch nicht aus Burgstadt gebürtig, sondern von auswärts. In den wenigen Tagen, die ich für ihn arbeitete, hätte ich noch keine Gelegenheit gehabt, ihn gründlich kennen zu lernen, deshalb könne ich über seinen Charakter und seine Gewohnheiten nichts sagen. Ich wäre ebenso gespannt wie sie, was aus dieser Affäre werden würde. Die von Fürst Leuenfarb ausgelösten Wogen der Erregung gingen dermaßen hoch, dass es mir nicht gelingen wollte, das Gespräch auf Pflichtgetreu oder Altes Blut oder irgendein für mich nützliches Thema zu lenken. Ich hielt mich nur eben lange genug auf, um einen großen Batzen Bratenfleisch zu stibitzen, dann kehrte ich unter Berufung auf meine Pflichten in unsere Gastgemächer zurück um Neuigkeiten betrogen und in großer Sorge

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