Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
ein Waldstück, die Hufe pochten gedämpft auf der dicken Schicht des Herbstlaubs vieler Jahrzehnte. Dann kamen wir zu einem steilen Anstieg, an den ich mich nicht erinnerte, doch oben angekommen entließ uns die Nacht auf einen gebahnten Weg. Die Route des Wolfs hatte quer durch die pfadlose Wildnis geführt und uns zu derselben Straße gebracht, auf der wir am Morgen entlanggeritten waren. Ich zügelte Meine Schwarze und ließ sie verschnaufen. Vor uns, auf der nächsten Anhöhe, umfloss das karge Licht der Mondsichel die Silhouette eines Wolfs, der auf uns wartete. Sobald er uns erspäht hatte, drehte er sich um, trabte über den Kamm und verschwand. Die Luft ist rein. Beeilt euch.
»Jetzt im Galopp«, warnte ich den Narren. Ich beugte mich vor und sagte Meine Schwarze das Gleiche, während ich sie mit einem kräftigen Schenkeldruck vorwärts trieb. Als sie sich nur widerwillig in Bewegung setzte, gab ich ihr mit der Alten Macht zu verstehen: Verfolger sind uns auf den Fersen. Sie kommen schnell.
Ihre Ohren drehten sich einmal kurz nach hinten. Ich glaube, sie war ein wenig skeptisch, dennoch trabte sie an. Als Malta uns zu überholen drohte, fühlte ich, wie ihre kraftvollen Muskeln sich spannten, und dann streckte sie sich unter mir, und wir galoppierten. Behindert von dem doppelten Gewicht und müde von den Anstrengungen des vorigen Tages, lief sie schwerfälliger als sonst. Malta hielt wacker mit und spornte sie dadurch immer wieder an. Die Stute des Prinzen blieb zurück. Der Wolf lief uns voraus, und ich heftete den Blick auf ihn als meine letzte Hoffnung. Es schien, als hätte er irgendwie die Last der Jahre abgeworfen; er hetzte wie ein Jährling in weiten Sätzen vor uns her.
Linkerhand wurde der Horizont sichtbar, als die Morgendämmerung ihr zaghaftes Wachstum in den Tag hinein begann. Ich begrüßte die zunehmende Helligkeit, die für unsere Pferde die Gefahr verringerte fehlzutreten, auch wenn ich andererseits fluchte, weil wir nun für unsere Verfolger leichter zu entdecken waren.
Vom Morgen in den Vormittag hinein, bemühten wir uns, so sehr uns auch die Zeit auf den Nägeln brannte, mit den Kräften unserer Pferde hauszuhalten und ritten abwechselnd Schritt, Trab und Galopp. Die letzten beiden Tage waren für die Tiere eine schwere Prüfung gewesen. Wenn wir sie rücksichtslos jagten bis sie zusammenbrachen, schadeten wir uns selbst.
»Wann ist es sicher genug, einmal Halt zu machen?«, fragte der Narr, während wir die Pferde langsam gehen ließen, damit sie verschnaufen konnten.
»Innerhalb der Burgmauern. Vielleicht.« Ich verzichtete darauf zu erwähnen, dass der Prinz erst in Sicherheit war, wenn ich mich noch einmal auf den Weg gemacht und die Katze getötet hatte. Wir hatten nur seinen Körper in unserer Hut. Die Gescheckten besaßen seine Seele.
Der Vormittag war ungefähr zur Hälfte verstrichen, als wir an dem Baum vorbeikamen, in dessen Krone der Bogenschütze uns aufgelauert hatte. Mir wurde bewusst, wie groß mein Vertrauen zu Nachtauge war. Er hatte entschieden, dass diese Straße sicher war, und ich folgte ihm, ohne zu zweifeln.
Sind wir nicht ein Rudel? Natürlich musst du deinem Leittier folgen. Die Neckerei konnte seine Müdigkeit nicht ganz verdecken.
Wir waren alle müde, Menschen, Wolf und Pferde. Ein etwas beschleunigter Schritt war das Äußerste, was ich aus Meine Schwarze noch herausholen konnte. Pflichtgetreu wurde immer schwerer in meinem Arm; dauernd musste ich ihn hochhieven und zurechtrücken, wenn er mir, von den zockelnden Bewegungen des Pferdes hin und her geschüttelt, zu entgleiten drohte. Mein Rücken und meine Schultern schmerzten von der dadurch erzwungenen verkrampften Haltung im Sattel, dazu gesellte sich das unablässige dumpfe Pochen in meinem Kopf. Der Narr saß noch gut im Sattel, machte aber keinen Versuch, ein Gespräch anzufangen. Sein Angebot, den Prinzen eine Weile zu sich auf sein Pferd hinüberzunehmen, hatte ich abgelehnt. Es hatte nichts damit zu tun, dass ich es ihm oder Malta nicht zutraute. Ich konnte mir selbst nicht genau erklären, weshalb ich das Gefühl hatte, Pflichtgetreu bei mir behalten zu müssen. Dass er so lange ohne Besinnung blieb, machte mir Sorgen. Irgendwo, das wusste ich, arbeitete sein Verstand, sah er mit den Augen der Katze, fühlte mit ihrem Körper. Früher oder später würde er erkennen …
Der Prinz regte sich in meinen Armen. Ich verhielt mich ruhig und wartete ab. Er brauchte eine Weile, um zu sich zu
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