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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Ich rappelte mich hoch, taumelte zu ihm hin und schleifte ihn am Hemdkragen über die Stoff und Haut zerschleißenden Muscheln höher an den Strand hinauf. Eine Welle holte uns ein und warf mich um, hatte aber nicht mehr Kraft genug, uns mitzuziehen. Als sie zurücklief, gelang es Prinz Pflichtgetreu, auf die Füße zu kommen. Uns gegenseitig stützend, stolperten wir über den Geröllstreifen hinweg und über die anschließende Zone aus schwarzem Sand, bedeckt mit einem Gewirr aus grünlichem Tang und Algen. Als wir tiefen, trockenen Sand erreichten, ließ ich den Prinzen los. Er tat vielleicht noch drei weitere Schritte, dann fiel er hin. Eine Weile lag er nur da und rang mit offenem Mund nach Luft. Dann setzte er sich hin, spie Sand aus und wischte sich mit dem nassen Ärmel durchs Gesicht. Verständnislos schaute er sich nach allen Seiten um, und als seine Augen zu mir zurückkehrten, lag darin ein Ausdruck kindlicher Ratlosigkeit.
    »Was ist passiert?«
    Bei jeder Mundbewegung knirschte Sand zwischen meinen Zähnen. Ich spuckte aus. »Wir sind durch einen Gabenpfeiler gegangen.« Ich spuckte nochmals aus.
    »Einen was?«
    »Einen Gabenpfeiler.« Ich blickte zurück, weil ich ihm zeigen wollte, was ich meinte.
    Da war nichts, nur der Ozean. Wieder rauschte eine Welle heran, weiter auf den Strand herauf als die vorherige. Schmieriger weißer Schaum marmorierte den Sand, als das Wasser sich zurückzog. Ich erhob mich schwerfällig und starrte über die steigende Flut. Nichts als Wasser. Das Auf und Ab von Wellen. Schreiende Möwen über den gischtglitzernden Kämmen. Kein Gabenpfeiler aus schwarzem Stein durchbrach diese wogende grüne Fläche. Nichts verriet, an welchem Punkt da draußen er uns ausgespien hatte.
    Kein Weg zurück.
    Ich hatte meine Freunde im Stich gelassen. Ungeachtet der Ermahnungen des Narren war ich entschlossen gewesen, sofort durch den Pfeiler zurückzukehren. Ich wäre gar nicht erst gegangen, auch nicht um dem Haus Weitseher den Thronerben zu erhalten, wenn ich nicht überzeugt gewesen wäre, gleich wieder bei ihnen zu sein. Schön, aber deshalb fühlte ich mich nicht einen Jota weniger feige und schäbig.
    Nachtauge! Ich rief mit aller Kraft meiner Alten Macht nach ihm.
    Keine Antwort.
    »Narr!« Das Wort gellte aus mir heraus, ein vergeblicher Aufschrei, getragen von Alter Macht und Gabe und Stimme. Ferne Möwen schienen ihn spöttisch nachzuäffen. Meine Hoffnung verging mit ihren leiser werdenden Schreien über dem windgepeitschten Meer.
    Wie gelähmt starrte ich auf das Wasser hinaus, bis eine auflaufende Welle über meine Füße leckte. Der Prinz hatte sich nicht geregt, außer dass er wieder umgefallen war und auf der Seite im nassen Sand lag. Er starrte mit leeren Augen vor sich hin und zitterte. Langsam wandte ich mich von dem trostlosen Panorama ab und musterte die Umgebung. Vor uns ragten schwarze Klippen auf. Die Flut stieg. Mein Verstand setzte die Teile zusammen.
    »Steh auf. Wir müssen weg hier, bevor uns die Flut den Weg abschneidet.«
    Etwas nach Süden hin traten die Felsen zurück und machten Platz für einen Halbmond aus schwarzem Sand. Ein grasbewachsenes Tafelland schloss sich daran an. Ich bückte mich und griff nach des Prinzen Arm. »Auf!«, wiederholte ich. »Außer du hast den Wunsch, hier zu ertrinken.«
    Der Junge gehorchte widerspruchslos. Verfolgt von den sich überholenden Wellen stapften wir durch den Sand. Verzweiflung machte mir die Beine bleischwer. Ich wagte nicht, auf das zurückzuschauen, was ich eben getan hatte. Es war zu monströs, um darüber nachzudenken. Während ich über diesen Strand wanderte, floss ihr Blut von Schwertklingen? Ich stellte meine Fantasie ab. Als ginge es darum, einen Gedankenspäher auszuschließen, errichtete ich Mauern gegen meine eigenen Empfindungen. Ich hörte auf zu denken und wurde Wolf, ausschließlich mit dem »Jetzt« befasst.
    »Was war das?«, fragte Pflichtgetreu plötzlich. »Das – Gefühl. Das Ziehen …« Ihm fehlten die richtigen Worte. »War das die Gabe?«
    »Ein Teil davon«, antwortete ich schroff. Er zeigte mir ein zu großes Interesse an der jüngst gemachten Erfahrung. Hatte sie ihn so stark beeindruckt? Die Lockung der Gabe war eine schreckliche Falle für den Unvorsichtigen.
    »Ich … Er hat versucht, mich darin zu unterrichten, aber er konnte mir nicht sagen, wie es sich anfühlt. Ich wusste nicht, ob ich es richtig machte und er auch nicht. Aber das!«
    Er erwartete eine Reaktion auf seine

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