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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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mich zu wehren. »Helft mir!«, schrie er zu den Gescheckten hin. »Kommt und befreit mich!«
    Der Donner galoppierender Hufe war seine Antwort, Mir kam eine Idee. Während ich den sich wütend aufbäumenden Prinzen zu bändigen suchte, sagte ich zu dem Narren: »Ich komme zurück. Ich bringe ihn hindurch und komme wieder.«
    »Du darfst keinesfalls den Prinzen in Gefahr bringen!« Der Narr war entsetzt. »Bleib bei ihm und beschütze ihn. Wenn du zurückkommst und mit uns getötet wirst, wäre er allein in – wo auch immer. Geh jetzt! Geh!« Das Abschiedslächeln, das er mir schenkte, war das alte Lächeln des Narren: zittrig und zugleich der Welt, die ihn verletzten wollte, ein Rübchen schabend. In seinen goldenen Augen loderte eine Wildheit, die nicht Angst vor dem Tode war, sondern dessen bewusste Hinnahme. Ich konnte es nicht ertragen, ihn anzusehen.
    Der Halbkreis der Reiter zog sich enger. Der Narr schwang sein Schwert, und es ritzte einen blinkenden Bogen in den blauen Tag. Dann stürmte ein Gescheckter zwischen uns, brüllend, die Kriegskeule erhoben. Ich tat einen Schritt rückwärts und zog den Prinzen mit.
    Das Bild, das ich mit mir nahm, war der Narr, der über dem Wolf stand und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, sein Schwert so hielt, als hätte er tatsächlich vor, es zu gebrauchen. Ich hörte das Klirren von Stahl auf Stahl und das anschwellende Knurren des Wolfs, der nach dem Bein eines Reiters sprang.
    Der Prinz schrie gellend, ein wortloser, wütender Protest, der mehr Katze war als menschlich. Ein nächster Reiter preschte geradewegs auf uns zu, aber ich spürte den ragenden schwarzen Stein im Rücken. »Ich komme zurück!«, versprach ich ihnen. Dann umschlang ich den Prinzen mit einem Arm, drückte ihn fest an mich und sagte ihm ins Ohr: »Halte das fest, was du bist!« Besser warnen konnte ich ihn nicht. Ich drehte mich um und legte die Hand auf das eingeschnittene Symbol.

Kapitel 23 · Der Strand
    Die Gabe ist unendlich groß und gleichzeitig unendlich klein. Groß wie die ganze Welt und der Himmel darüber, und klein wie das Geheimnis in eines Menschen Herz. Der Strom der Gabe ist so beschaffen, dass man darin mitschwimmen kann oder sein Fließen vom Ufer beobachten oder ihn zur Gänze im eigenen Selbst bewahren. Immer bleibt das Gefühl der Unmittelbarkeit.
    Das ist der Grund, weshalb einer, um die Gabe zu meistern, erst Meister seiner selbst sein muss.
    HAGELFEUER, GABENMEISTER VON KÖNIGIN KARGE
    Dunkelheit und der Verlust der Orientierung, damit hatte ich gerechnet. Dass die Gabe an mir zerrte, und ich kämpfen musste, um den Prinzen und mich selbst vor der Auflösung zu bewahren. Ihn innerhalb meiner Gabenmauern zu halten, ließ sich mit dem Versuch vergleichen, in einer Sintflut eine Handvoll Salz festhalten zu wollen. Es war das gleiche Gefühl: dass, wenn ich den Griff auch nur ein wenig lockerte, er mir im wahrsten Sinne des Wortes entrinnen würde. All das war wie erwartet, hinzu kam das unvernünftige Gefühl, nach oben zu fallen. Ich drückte Pflichtgetreu an mich und tröstete mich damit, dass dieser Zustand nicht lange zu dauern pflegte. Ich war nicht darauf vorbereitet, aus dem Pfeiler in eisiges Meerwasser zu fallen.
    Das mir bittersalzig in Mund und Nase schwappte, als ich erschreckt nach Luft jappste. Wir trudelten aneinander geklammert durch trübes Flaschengrün. Meine Schulter stieß gegen etwas Hartes. Pflichtgetreu zappelte wild, und fast hätte ich ihn losgelassen. Die Strömung zog an uns, und dann, eben als ich bei einer Drehung Licht sah und erkannte, wo oben war, packte uns eine Welle und schleuderte uns gegen ein felsiges Gestade.
    Der Prinz wurde mir aus den Armen gerissen. Eingeschlossen in den Wasserschwall wurden wir den Strand hinaufgeschwemmt, über Steine und scharfkantige Muscheln. Beim Zurückfluten der Welle hielten sie mich fest, verhakten sich in meinem Schwertgurt, und das Wasser ließ mich dort liegen. Ich hob den Kopf, würgte und spuckte aus, was ich von der Brühe geschluckt hatte. Blinzelnd hielt ich nach meinem Schützling Ausschau und entdeckte ihn ein Stück hinter mir, wo es noch tiefer war. Er lag bäuchlings am Ufer und versuchte, sich an den Steinen festzuhalten, während die zurücklaufende Welle an ihm zerrte. Endlich fand er einen Halt und lag keuchend still. Ich pumpte Luft in meine Lungen.
    »Steh auf!«, schrie ich. Es war ein heiseres Krächzen. »Bevor die nächste Welle kommt. Steh auf!«
    Er gaffte mich verständnislos an.

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