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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Begeisterung. Ich enttäuschte ihn. Die Gabe war das Letzte, worüber ich jetzt reden wollte. Ich wollte überhaupt nicht reden. Ich wollte den Kokon aus Taubheit, der mich umgab, nicht durchbrechen.
    Oberhalb der Flutlinie angelangt, ließ ich Pflichtgetreu weitermarschieren. Seine nassen Kleider flatterten im Wind, und er schlang frierend die Arme um seinen Leib. Ich lauschte auf seine bibbernden Atemzüge. Ein grünlicher Schimmer auf dem Sand verriet den Lauf eines Süßwasserrinnsals über den Strand zum Meer. Ich lotste ihn daran entlang zu einem Feld harter Gräser bis zu einer Stelle, wo das Rinnsal tief genug war, um mit der Hand daraus schöpfen zu können. Bevor ich trank spülte ich mir erst gründlich den Mund aus und wusch den Sand aus Augen und Ohren. Der Prinz unternahm einen zweiten Vorstoß.
    »Was ist aus Fürst Leuenfarb und dem Wolf geworden? Wo sind sie? Was ist ihnen zugestoßen?« Er schaute über das Meer, als rechnete er damit, sie dort auftauchen zu sehen.
    »Sie konnten nicht mitkommen. Inzwischen, nehme ich an, werden deine Freunde sie abgeschlachtet haben.«
    Ich war erstaunt, dass ich es so ungerührt aussprechen konnte. Kein tränenerstickte Stimme, kein Schluchzen und Schlucken. Die Vorstellung war zu schrecklich. Ich durfte mich nicht darauf einlassen. Lieber schlug ich ihm die dürren Worte ins Gesicht, in der Hoffnung, ihn zurückprallen zu sehen, doch er schüttelte nur den Kopf, als ergäben sie für ihn keinen Sinn, dann fragte er benommen: »Wo sind wir?«
    »Wir sind hier.« Ich lachte. Ich hatte nicht gewusst, dass Wut und Verzweiflung einen Menschen zum Lachen bringen konnten. Es war kein angenehmes Geräusch, und der Prinz duckte sich im ersten Moment erschreckt, dann richtete er sich kerzengrade auf und stach einen anklagenden Zeigefinger in meine Richtung. »Wer bist du?«, fragte er scharf, als hätte er ganz plötzlich das eine entscheidende Geheimnis hinter all seinen Fragen entdeckt.
    Am Boden hockend, schaute ich zu ihm auf, dann beugte ich mich wieder über das Wasser und trank noch einmal, bevor ich mich bequemte, ihm zu antworten. »Tom Dachsenbless.« Mit den nassen Händen strich ich mir das Haar aus dem Gesicht. »Deswegen. Ich wurde mit dieser weißen Strähne an der Schläfe geboren und danach haben meine Eltern mich benannt.«
    »Lügner!« Er sprach das Wort mit unverhohlener Verachtung. »Du bist ein Weitseher. Du hast vielleicht nicht das Aussehen eines Weitsehers, aber du besitzt die Gabe, die in der Familie erblich ist. Wer bist du? Ein entfernter Cousin? Die Frucht eines Seitensprungs?«
    Ich war in meinem Leben oft Bastard genannt worden, aber nie von jemandem, den ich mit einiger Berechtigung meinen Sohn hätte nennen können. Ich schaute auf zu Pflichtgetreu, Veritas’ und Kettrickens Erbe aus dem Samen meines Körpers. Tja, wenn ich ein Bastard bin, was bist dann du? Aber ich dachte es nur und sagte stattdessen: »Ist das wichtig?«
    Während er sich noch bemühte, darauf eine Antwort zu finden, versuchte ich, mir ein genaueres Bild von den örtlichen Gegebenheiten zu machen. Ich saß hier mit ihm fest, wenigstens bis zur nächsten Ebbe. Hatte ich Glück, gab sie den Pfeiler frei, der uns hergebracht hatte, und meiner Rückkehr stand nichts mehr im Wege. Hatte ich Pech, zog sich das Wasser nicht weit genug zurück, und dann musste ich irgendwie herausfinden, in welche Weltengegend es uns verschlagen hatte, und ob es eine Möglichkeit gab, nach Bocksburg zurückzugelangen.
    Pflichtgetreu überspielte seine plötzliche Verunsicherung mit prinzlicher Gereiztheit. »Wir können nicht so weit von den anderen entfernt sein. Es hat nur einen Lidschlag gedauert, dann waren wir hier.«
    »Für die Magie, die wir benutzt haben, bedeutet Entfernung nichts. Möglicherweise befinden wir uns nicht einmal mehr in den Sechs Provinzen.« Und mehr, beschloss ich, brauchte er nicht zu erfahren. Was immer ich ihm erzählte, kam vermutlich auch der Katzenfrau zu Ohren. Je weniger gesprochen wurde desto besser.
    Er ließ sich langsam zu Boden sinken. »Aber …«, fing er an und verstummte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war der eines verschreckten Kindes, das sich angstvoll bemüht, an etwas Vertrautem Halt zu finden. Doch nichts davon, dass mir das Herz aufging und ich das Bedürfnis verspürte, ihm Trost zu spenden. Im Gegenteil. Ich unterdrückte den Drang, ihm einen gehörigen Klaps auf den Hinterkopf zu geben. Für diesen weinerlichen, egoistischen Bengel hatte

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