Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
kein Lehrer gewesen, Fitz. Dafür muss ich dir deine Tochter nehmen.« Sowohl Nessel als auch Pflichtgetreu waren Figuren auf einem Spielbrett und mit einer einzigen Handbewegung vertauschte er ihre Plätze. »Du bist am Zug«, sagte er. Doch ehe ich etwas tun konnte, kam Jinna und schob sämtliche Figuren vom Brett herunter in ihre hohle Hand. »Ich mache ein Amulett daraus«, versprach sie mir. »Eins, welches die ganzen Sechs Provinzen beschützen wird.«
»Tu es weg«, bat ich sie, denn ich war der Wolf und das Amulett wirkte gegen Raubtiere. Allein es anzusehen, schwächte und ängstigte mich. Es war mächtig, weit mächtiger als jedes der anderen Amulette, die sie mir gezeigt hatte. Es war Zauberei reduziert auf ihre primitivste Form, jeder menschlichen Regung entkleidet. Es war Magie aus einer anderen Zeit, von einem anderen Ort, umwittert von einer Ahnung fernster Vergangenheit. Magie, die sich nicht um Menschen scherte. Sie war ebenso unerbittlich wie die Gabe. Sie schnitt wie tausend Messer und brannte wie Gift. »Tu es weg!«
Er konnte mich nicht hören. Er hatte mich nie hören können. Der Geruchlose trug es um seinen Hals, und er hatte den Kragen weit auseinander geschlagen, um es zu entblößen. Ich musste mich zwingen, auszuharren und seinen Rücken zu bewachen. Selbst hinter ihm stehend, konnte ich die verderbliche Ausstrahlung spüren. Ich witterte Blut, seins und meins. Noch immer fühlte ich Blut an meiner Flanke hinunterrinnen und meine Kräfte schwanden.
Ein grimmiger Mann mit einem winselnden Hund bewachte uns. Hinter ihm brannte ein Feuer, um das schlafend die Gescheckten lagen. Dahinter gähnte das Maul des Schlupfwinkels und man sah einen dünnen Streifen Morgenlicht am Himmel. Es schien sehr weit entfernt zu sein. Das Gesicht unseres Bewachers war verzerrt, nicht nur vor Wut, sondern auch vor Angst und Missmut. Er hätte uns gern gequält, wagte sich aber nicht weiter heran. Es war kein Traum. Es war die Alte Macht, und ich war bei Nachtauge, und er lebte. Das Glücksgefühl, das in mir aufwallte, belustigte ihn, aber nur für einen flüchtigen Moment. Dass du dies miterlebst, macht es nicht leichter, für keinen von uns. Du hättest wegbleiben sollen.
»Bedecke das verdammte Ding!«, fuhr der Bewacher ihn an.
»Zwing mich!«, forderte der Geruchlose ihn auf. Ich hörte des Narren kecke Erwiderung mit den Ohren des Wolfs und erkannte den Natternbiss seiner verwegenen Spottlust von ehedem. Ungeachtet seiner Angst genoss er diese Geste des Widerspruchs. Das Schwert hatte man ihm abgenommen, doch er saß trotzig aufrecht und zeigte an dem entblößten Hals ein Amulett mit sengender uralter Magie. Er hatte sich zwischen den Wolf und seine Henker gesetzt.
Nachtauge ließ mich einen Raum sehen, Wände aus Stein, erdiger Boden. Eine Höhle vielleicht. Er und der Narr waren in einem hinteren Winkel untergebracht. Eine Gesichtshälfte des Narren trug einen Überzug aus Blut. Die getrocknete Schicht hatte Risse bekommen, sodass er aussah wie ein schlecht glasierter Topf. Sie waren Gefangene, allem Anschein nach mit Gewalt niedergerungen, aber man hatte sie am Leben gelassen – den Narren, weil man hoffte, dass er wusste, wohin der Prinz verschwunden war, und den Wolf wegen seiner Verbindung zu mir.
Das haben sie herausgefunden, dass wir verschwistert sind?
Dazu bedurfte es keiner herausragenden Intelligenz.
Von irgendwoher tauchte die Nebelkatze auf. Sie kam auf uns zugeschritten, ihre Schnurrhaare bebten, ihr durchbohrender Raubtierblick war auf Nachtauge gerichtet. Als der Hund des Postens sich nach ihr umschaute, fauchte sie und schlug nach ihm. Er sprang aufjaulend zurück und die Miene des Mannes wurde noch finsterer, doch sowohl er als auch sein Hund machten ihr Platz. Sie wanderte steifbeinig vor uns hin und her und belauerte den Narren aus den Augenwinkeln, während eine heisere Drohung aus ihrer Kehle grollte. Der lange Schweif schwebte elegant hinter ihr her.
Das Amulett hält sie auf Abstand?
Ja, aber nicht mehr für lange, fürchte ich. Der nächste Gedanke des Wolfs erstaunte mich. Die Katze ist eine bedauernswerte Kreatur, durchseucht von der Frau, wie ein Reh durchseucht von Würmern. Sie geht umher, und ein Mensch schaut aus ihren Augen. Nicht einmal ihre Bewegungen sind mehr die einer wirklichen Katze.
Die Katze verhielt plötzlich und öffnete das Maul, wie um unsere Witterung aufzunehmen. Dann warf sie sich plötzlich herum und trabte zielstrebig davon.
Du hättest
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