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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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nicht kommen sollen. Sie spürt deine Gegenwart. Sie will den großen Mann holen. Er ist mit einem Pferd verschwistert. Das Amulett wirkt nicht gegen Beutetiere oder ihre Verschwisterten.
    Der Gedanke des Wolfs war voller Verachtung für Grasfresser, doch auch Angst schwang darin mit. Ich dachte darüber nach. Das Amulett des Narren wirkte abschreckend auf Raubtiere, logischerweise war der mit einem Streitross verschwisterte Mann unempfänglich dafür.
    Bevor ich den Gedankengang zu Ende denken konnte, kam die Katze wieder, mit dem Hünen im Gefolge. Sie setzte sich neben ihn, jeder Zoll unerträgliche Selbstzufriedenheit, und fixierte uns mit einem ganz und gar nicht katzenhaften Blick. Der große Mann schaute nicht auf den trotzigen Narren, sondern an ihm vorbei auf den Wolf.
    »Da bist du endlich. Wir haben auf dich gewartet«, sagte er gedehnt.
    Nachtauge erwiderte seinen Blick nicht, aber die Worte des großen Mannes erreichten mich durch seine Ohren. »Ich habe deine Freunde hier, die du im Stich gelassen hast, du trauriger Wicht. Wirst du sie verleugnen, wie du dein Altes Blut verleugnet hast? Ich weiß, du hast dich mit dem Prinzen irgendwo verkrochen. Es interessiert mich nicht, wie du es bewerkstelligt hast, mit ihm zu verschwinden, ich sage dir nur das eine: Gib ihn heraus, oder diese beiden sterben eines langsamen Todes.«
    Der Narr stand zwischen dem Mann und dem Wolf. Ich wusste, er sprach zu mir, als er sagte: »Hör nicht auf ihn. Bleibt, wo ihr seid. Hüte ihn gut.«
    Ich konnte nicht an ihm vorbeisehen, aber der Schatten des hünenhaften Gescheckten wuchs an der Höhlenwand hinauf. »Dein Krudhexenamulett beeindruckt mich nicht, Fürst Leuenfarb.«
    Dann prallte der Körper des Narren gegen den geschundenen Wolf, und meine Verbindung mit ihm zerriss.
    Ich erwachte mit einem Ruck, sprang auf, doch alles was ich sah, waren der morgengraue Himmel und der öde Strand. Kreischende Möwen kreisten über dem Meer. Im Schlaf hatte ich mich Wärme suchend zusammengerollt, aber jetzt schüttelte mich etwas, das nichts mit Kälte zu tun hatte. Ich war nass geschwitzt und hörte mich selbst keuchend atmen. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Noch ganz in meinem Traum befangen, richtete ich den Blick aufs Meer hinaus. Ich zweifelte nicht, dass er mir die Wirklichkeit gezeigt hatte. Allmählich beruhigte sich mein trommelnder Herzschlag. Es herrschte wieder Flut, aber sie hatte noch nicht ihren Höchststand erreicht. Vergeblich hielt ich nach irgendetwas Ausschau, das einen Gabenpfeiler unter den anrollenden Wogen vermuten ließ. Mir blieb nichts anderes übrig, als bis zum Nachmittag zu warten, bis das Wasser bei Ebbe seinen Tiefststand erreicht hatte. Nicht daran denken, wie es dem Narren inzwischen ergehen mochte. Wenn das Glück mir hold war, gaben die Wellen den Gabenpfeiler frei, der uns hergebracht hatte, und ich konnte ihnen zur Hilfe eilen. Pflichtgetreu musste eben zusehen, wie er allein zurechtkam, bis ich Gelegenheit fand, ihn nachzuholen.
    Wenn der Pfeiler nicht auftauchte – aber mit dieser Möglichkeit wollte ich mich jetzt nicht befassen. Lieber konzentrierte ich mich auf die handfesten Probleme, die ich hier und jetzt lösen konnte. Essbares finden, und den Hunger stillen. Bei Kräften bleiben. Nicht zu vergessen, der Macht der Katzenfrau über den Prinzen entgegenwirken. Ich drehte mich zu dem noch schlafenden Jungen herum und stieß ihn energisch mit dem Fuß an. »Steh auf!«
    Nach meiner Erfahrung war nicht damit zu rechnen, dass beim Aufwachen sein mit der Alten Macht gewobenes Band mit der Katzenfrau zerriss, aber es wurde schwieriger für ihn, sich ausschließlich darauf zu konzentrieren. Als Halbwüchsiger hatte ich im Schlaf davon ›geträumt‹, mit Nachtauge zu jagen. Im Wachen war ich mir des Wolfs immer noch bewusst gewesen, doch füllte er nicht mehr mein gesamtes Denken aus. Als Pflichtgetreu sich ächzend herumwälzte und trotzig noch tiefer in seine Träume wühlte, bückte ich mich, packte ihn beim Kragen und stellte ihn hin.
    »Aufgewacht!«
    »Lass mich in Ruhe, du hässlicher Bastard«, fauchte und funkelte er mich an wie eine gereizte Katze, mit schräg geneigtem Kopf und geöffnetem Mund. Fehlte nur noch, dass er mich anzischte und kratzte. Mir riss der Geduldsfaden. Ich schüttelte ihn heftig und stieß ihn dann von mir weg, sodass er nach hinten taumelte, strauchelte und um Haaresbreite in die Glut des Feuers gefallen wäre.
    »Nenn mich nicht so«, warnte ich ihn.

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