Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
einem sonnigen Hügel und entließe einen Regenbogen aus meiner geschlossenen Hand. Als er davontrieb, erkannte ich, dass seine Partikel sich mit welchen von mir verquickt hatten, meine Essenz verströmte mit der seinen. Es berührte mich nicht. FitzChivalric Weitseher floss von mir weg, Länge um Länge; das Garn meines Selbst festgehakt, und das Gewirk im Strom der Gabe aufgesogen.
Einst hatte ich Erinnerungen in einen steinernen Drachen gegossen. Dankbar hatte ich Schmerz und hoffnungslose Liebe und ein Dutzend anderer Erfahrungen hergegeben, damit der Drache genug Substanz hatte, um zum Leben zu erwachen. Diesmal war es anders. Man kann es sich vorstellen wie einen Blutverlust, der sich angenehm anfühlt und dennoch zum Tode führt. Passiv verfolgte ich mein Ausbluten.
Nun ist es genug mit den Dummheiten. Warme, weibliche Belustigung in der Stimme, die meinen Kopf erfüllte. Ich konnte nicht verhindern, dass sie den Faden meines Selbst um mich schlang, als wickelte sie loses Garn auf eine Spule. Ich hatte ganz vergessen, wie überschwänglich dramatisch ihr Menschen in eurer Unvernunft sein könnt. Kein Wunder, dass wir solchen Spaß an euch hatten. So temperamentvolle kleine Schoßtierchen.
Wer? Ich konnte die Frage nicht genauer stellen. Das Glücksgefühl ihrer Gegenwart war überwältigend.
Und das hier gehört auch zu dir, nehme ich an. Halt, nein, das ist ein anderer. Zwei von eurer Art hier, gleichzeitig und in Auflösung begriffen. Habt ihr euch verirrt?
Verirrt. Ich dachte den Gedanken zu ihr zurück unfähig zu einer eigenen Vorstellung. Ich war ein verhätscheltes Kleinkind, angebetet für mein bloßes Vorhandensein und darob hilflos vor Wonne. Ihre Liebe erfüllte mich mit Wärme. Mir widerfuhr etwas, das ich mir nie hatte vorstellen können: Ich wurde genug geliebt und genug geachtet, und ich brauchte nichts mehr als das, was ich schon hatte. Dieses Genug war mehr als Viel, größerer Reichtum als eines Königs gleißender Hort. Niemals zuvor in meinem ganzen Leben hatte ich ein solches Gefühl erfahren dürfen.
Zurück mit euch. Seid beim nächsten Mal vorsichtiger. Die meisten der anderen würden nicht einmal bemerken, dass sie euch angezogen haben.
Als würde sie sich eine Klette vom Gewand pflücken, dachte ich betrübt. Während sie mich noch hielt, war ich allzu trunken vor Glückseligkeit, um ihr zu widersprechen, obwohl ich wusste, sie war im Begriff, das Undenkbare zu tun. Warte warte warte, brachte ich zustande, aber der Gedanke hatte kein Gewicht und sie achtete nicht darauf. Für das Zehntel eines Lidschlags war ich mir Pflichtgetreus neben mir bewusst.
Dann befand ich mich wieder in der Folterkammer meines elenden kleinen Körpers. Er hatte Schmerzen, er fror, er war beschädigt, alte Blessuren, neue Blessuren, von Anfang an hatte er zu wünschen übrig gelassen, und schlimmer als alles andere, er hatte nicht genug von irgendwas. Wie ein Kleidungsstück von Motten, war er zerfressen von Mängeln und großen klaffenden Bedürfnissen. In ihm gefangen hatte ich nie, würde ich nie, genug an Liebe erfahren oder Respekt oder …
Ich drängte wieder hinaus.
Es geschah nichts weiter, als dass ein heftiger Ruck das verschmähte Gehäuse durchfuhr und ich platt in den Sand fiel. Ich konnte meinen Körper nicht verlassen. Ich steckte verkrampft und beengt in dem schlecht zugeschnittenen Fleisch, das mich umhüllte und einschnürte, und ich fand keinen Weg hinaus. Das Missbehagen war heftig und erschreckend, in etwa als würde einem ein Arm oder Bein ausgerenkt oder der Hals zugedrückt. Je mehr ich tobte, desto tiefer sank ich in meine zappelnde Körperlichkeit, bis ich hoffnungslos in mein schwitzendes, zitterndes Selbst eingebettet war. Ich gab auf, fühlte die trostlose Bürde einer materiellen Existenz. Sand im Taillenbund meiner Hose, Sand in einem Augenwinkel und in meiner Nase. Durstig. Hungrig. Zerschlagen und zerschunden.
Ungeliebt.
Ich richtete mich langsam auf. Das Feuer war fast aus, ich musste eine ganze Zeit abwesend gewesen sein. Steifbeinig erhob ich mich und warf das letzte Stück Holz in die über der Glut zuckenden Flämmchen. Die Welt ordnete sich um mich herum. Meine Verluste umgaben mich so lückenlos wie die Nacht, die herabgesunken war. Ich stand vollkommen still, betrauerte den Narren und Nachtauge, doch herzzerreißender noch als dieser Schmerz war mein Kummer darüber, weggeschickt worden zu sein von – wer immer sie gewesen sein mochte. Es war nicht wie das
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