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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Erwachen aus einem Traum. Eher das Gegenteil. In ihr war Wahrheit gewesen und Unmittelbarkeit und die Einfachheit des Seins. Danach erschien mir diese Welt als ein verworrenes Netz aus Ablenkungen und Ärgernissen, Illusionen und Täuschungen. Es war kalt, und meine Schulter tat weh, und das Feuer ging aus, und all diese Verdrießlichkeiten peinigten mich wie Nadelstiche. Meine Sorgen wuchsen düster und bergehoch vor mir empor: der junge Prinz als Klotz an meinem Bein und wie wir nach Bocksburg zurückkommen sollten und das ungewisse Schicksal Nachtauges und des Narren. Gleichzeitig beschlich mich das Gefühl, mir würden diese Dinge absichtlich vor Augen gehalten, um meinen Blick von der unfassbaren Wirklichkeit dahinter abzulenken. Diese meine irdische Existenz setzte sich zusammen aus banalen Unpässlichkeiten und unbeschreiblichen Folterqualen und jede einzelne war nur eine weitere Maske zwischen mir und dem Antlitz des Ewigen.
    Aber die Schichten der Maske waren wieder an Ort und Stelle und mussten gelebt werden. Mein Körper fröstelte. Die Flut ging zurück. Außerhalb des Feuerscheins war die Nacht tiefschwarz, aber ich hörte es an dem Rhythmus der hintereinander zurückbleibenden Wellen. Der unverwechselbare Geruch der Ebbe nach Tang und Muscheln hing in der Luft.
    Der Prinz lag auf dem Rücken und starrte in den Himmel. Ich schaute auf ihn nieder und dachte erst, er wäre besinnungslos. Im zuckenden Schein des ersterbenden Feuers sah ich nur schwarze Gruben, wo seine Augen hätten sein sollen. Dann machte er den Mund auf. »Ich habe geträumt.« Staunen und Verwirrung färbten seine Stimme.
    »Wie schön für dich.« Es war neutraler Spott. Ich fühlte mich unbeschreiblich erleichtert, dass er in seinen Körper zurückgekehrt war und sprechen konnte. Dessen ungeachtet hasste ich die Tatsache, dass ich wieder in meinem eigenen Körper gefangen war und ihm zuhören musste.
    Er schien meine Gehässigkeit nicht zu bemerken. »Ich hatte noch nie einen Traum wie den. So wirklich, dass ich alles fühlen konnte. Ich träumte, dass mein Vater mich umfangen hält und mir sagt, dass alles gut werden wird. Weiter nichts. Aber seltsam, es war genug.« Pflichtgetreu richtete lächelnd den Blick in mein Gesicht. Es war ein besonderes Lächeln, weise und jung. Er sah aus wie Kettricken.
    »Wir brauchen Feuerholz«, sagte ich endlich. Ich drehte der Helligkeit den Rücken zu und dem Feuer und dem lächelnden Knaben und ging in die Dunkelheit hinein.
    Ich suchte nicht nach Feuerholz. Der eben erst von den Wellen freigegebene und noch mit Wasser vollgesogene Sand war kalt und bretthart unter meinen bloßen Füßen. Eine dünne Mondsichel stand über dem Horizont. Ich ließ von ihr ausgehend den Blick am Himmel hinaufwandern, und mir sank der Mut. Nach den Sternen zu urteilen, befanden wir uns weit südlich von den Sechs Provinzen. Von den Gabenpfeilern wusste ich, dass sie eine mehreren Tagesreisen entsprechende Wegstrecke ersparen konnten. Dieser Beweis ihrer Macht war nicht ermutigend. Falls bei Ebbe morgen nicht der Pfeiler auftauchte, stand uns eine lange Heimreise bevor, ohne Proviant, ohne das kleinste Stückchen hilfreicher Ausrüstung. Außerdem erinnerte der Mond mich daran, dass unsere Frist ablief. In acht Nächten, bei Neumond, sollte Prinz Pflichtgetreus Verlobungszeremonie stattfinden. Würde der Prinz neben der Narcheska stehen? Seltsam, aber es ließ mich im Grunde völlig kalt.
    Zu manchen Zeiten erfordert es ein Höchstmaß an Konzentration, nicht zu denken. Ich weiß nicht, wie weit ich gegangen war, bevor ich darauf trat. Es bewegte sich im nassen Sand unter meinem Fuß, und im ersten Moment glaubte ich, ich wäre auf eine Messerklinge getreten, die flach auf dem Boden lag. Es war zu dunkel, um etwas sehen zu können; ich bückte mich und tastete nach dem Ding. Ich hob es auf. Es war ungefähr so lang wie die Klinge eines Fleischermessers und hatte fast die gleiche Form. Es fühlte sich hart und kalt an, Stein oder Metall, ich konnte nicht sagen, was. Aber es war kein Messer. Ich strich vorsichtig mit dem Finger daran entlang. Keine Schneide. In der Mitte eine Längsrippe, im Winkel davon ausgehend beidseitig fein geriffelt. An einem Ende lief es zu einer Art Röhre zusammen. Es war schwer, jedoch nicht so schwer, wie es, sagte mir ein Gefühl, hätte sein sollen. Ich stand da, wog den Gegenstand in der Hand und wusste, dass ich wusste, was es war, aber mein Gedächtnis ließ mich im Stich. Er fühlte

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