Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
»Untersteh dich, mich je wieder so zu nennen!«
    Im Sand sitzend, schaute er aus großen, erstaunten Augen zu mir auf. Wahrscheinlich hatte in seinem ganzen Leben noch nie jemand in einem solchen Ton zu ihm gesprochen, geschweige denn ihn gepackt und geschüttelt. Es gefiel mir nicht, dass ich derjenige sein musste, der den Nimbus seiner prinzlichen Unantastbarkeit zerstörte. Ich wandte mich ab und sagte über die Schulter: »Bring das Feuer wieder in Gang. Ich werde sehen, ob die Tide etwas Essbares freigegeben hat, bevor das Wasser es wieder zudeckt.« Dann ging ich, ohne mich noch einmal nach ihm umzudrehen.
    Schon nach drei Schritten hätte ich gern meine Schuhe gehabt, aber ich wollte nicht umkehren. Je größer der Abstand zwischen uns, desto besser, wenigstens bis ich mich abgekühlt hatte. Noch war mein Ärger auf ihn zu groß, meine ohnmächtige Wut auf die Gescheckten zu stark.
    Die Flut hatte die sandige Zone noch nicht erreicht. Ich bewegte mich mit vorsichtigen Schritten über den schwarzen Fels, um nicht auf die Entenmuscheln zu treten. Ich sammelte Miesmuscheln und Seetang als Hülle, um sie darin eingepackt zu garen. Eingekeilt unter einem Felsvorsprung entdeckte ich eine große grüne Krabbe. Sie kniff mir mit der Schere in den Finger, als ich nach ihr griff. Es tat weh, aber ich fing sie trotzdem und tat sie zu den Muscheln in mein als Tragetasche benutztes Hemd. Die Nahrungssuche führte mich ein gutes Stück am Strand entlang. Die Morgenkühle und die anspruchslose Arbeit der Nahrungsbeschaffung beruhigten mein aufgewühltes Gemüt. Der Junge in seiner Naivität wurde benutzt, sagte ich mir, von Menschen, die es besser wissen sollten. Das gemeine Tun der Frau bewies, dass diese Leute keine Moral hatten. Es war ungerecht, Pflichtgetreu Vorwürfe zu machen. Er war jung, nicht dumm oder böse. Nun, vielleicht jung und dumm, aber war ich das nicht auch einmal gewesen?
    Auf dem Rückweg zum Lagerplatz trat ich auf die vierte Feder, und als ich mich danach bückte, sah ich ein Stück weiter die fünfte im Sonnenlicht funkeln. Sie schillerte in allen Regenbogenfarben, doch als ich hinkam, sah ich, dass ein Zusammenspiel von Licht und Feuchtigkeit mich getäuscht haben musste, denn sie war ebenso glanzlos und grau wie ihre Schwestern.
    Der Prinz war nicht beim Feuer, aber wenigstens hatte er Holz nachgelegt und es ordentlich geschürt. Ich legte die beiden Federn zu den drei anderen, die ich in der Nacht gefunden hatte, dann schaute ich mich nach dem Jungen um und sah ihn kommen. Er war am Bach gewesen, denn sein Gesicht glänzte feucht, und das Haar war mit Wasser und den zehn Fingern nach hinten gekämmt. Er blieb eine Weile neben mir stehen und schaute zu, wie ich die Krabbe tötete und zusammen mit den Muscheln in die flachen Wedel des Seetangs einwickelte. Mit einem Stock schob ich das brennende Holz auseinander und platzierte dann mit spitzen Fingern das Päckchen in die Glut. Es zischte. Er beobachtete, wie ich die übrige Glut darüber aufhäufte. Als er endlich den Mund aufmachte, sagte er, was er zu sagen hatte in einem so gleichmütigen Ton, als redete er über das Wetter.
    »Ich habe eine Botschaft für dich. Wenn du mich nicht vor Sonnenaufgang zurückgebracht hast, werden sie beide töten, den Mann und den Wolf.«
    Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich seine Worte gehört hatte. Den Blick auf unser Frühstück geheftet, schob ich die Glut von allen Seiten dichter heran. Als ich antwortete, war meine Stimme ebenso kalt. »Vielleicht, wenn sie den Mann und den Wolf nicht vor Mittag freilassen, töte ich dich.« Ich hob den Kopf und sah ihn mit den Augen dessen an, der das Morden als Geschäft gelernt hat. Er trat einen Schritt zurück.
    »Aber ich bin der Prinz!«, rief er aus. Gleich darauf verzerrte ein Ausdruck abgrundtiefer Scham sein Gesicht. Doch er konnte die Worte nicht zurücknehmen, sie hingen vibrierend zwischen uns in der Luft.
    »Das wäre nur von Bedeutung, wenn du dich benehmen würdest wie ein Prinz«, bemerkte ich ungerührt. »Aber tust du das? Nein. Du bist ein Werkzeug und weißt es nicht einmal. Schlimmer, du bist eine Waffe, die man nicht nur gegen deine Mutter richtet, sondern gegen die gesamten Sechs Provinzen.« Ich richtete den Blick an ihm vorbei, während ich seinen Träumen den Todesstoß versetzte. »Du weißt nicht einmal, dass die Frau, die du anbetest, nicht mehr existiert. Jedenfalls nicht mehr in Menschengestalt. Sie ist tot, Prinz Pflichtgetreu. Doch als

Weitere Kostenlose Bücher