Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Sklavenketten, die dich an das Geschlecht der Weitseher fesseln und denke an dich selbst. Denk an die von deiner Art. Vergiss unsere alte Gewohnheit der Selbstbeschränkung im Gebrauch unserer Magie. Die Alte Macht ist ein Geschenk Edas und wir sollten sie nutzen! Hier bietet sich uns eine große Chance, uns allen, die wir vom Alten Blut sind. Wir haben die Möglichkeit, uns Gehör zu verschaffen. Sollen die Weitseher endlich zugeben, dass Wahrheit ist, was die Sage von jeher behauptet: Die Alte Macht ist ebenso dick in ihrem Blut wie die Gabe. Der Junge wird eines Tages König sein. Wir können ihn zu einem der Unseren machen. Wenn er den Thron besteigt, wird er die Verfolgung beenden, unter der wir so lange schon leiden.«
Ich kaute auf der Unterlippe, als hätten seine Worte mir zu denken gegeben. Lutwin hatte keine Ahnung, welche Entscheidung mich wirklich bewegte. Wenn ich sein Angebot annahm, hatten die Weitseher immer noch ihren Erben, wenigstens seine äußere Hülle.
Nessel konnte in Ruhe ihr Leben leben, unbelästigt von des Schicksals verworrenen Fäden. Und es kam vielleicht sogar etwas Gutes dabei heraus, für die vom Alten Blut und die Sechs Provinzen. Ich brauchte nichts weiter tun, als Pflichtgetreu einem Leben voller Qualen auszuliefern. Freiheit für den Narren und meinen Wolf, ein freies Leben für Nessel und vielleicht die vom Alten Blut endlich erlöst von der Geißel der Verfolgung als böswillige Hexer. Sogar ich durfte mein Leben behalten. Einen halbwüchsigen Jungen opfern, den ich kaum kannte, um all das zu gewinnen. Ein einziges Leben aufgerechnet gegen all diese anderen.
Ich traf meine Entscheidung.
»Wenn ich glauben könnte, dass du die Wahrheit sprichst …« Ich hielt inne und schaute Lutwin nachdenklich an.
»Würdest du dich uns anschließen?«
Er wähnte mich gefangen zwischen dem sicheren Tod und der Notwendigkeit eines Kompromisses. Ich ließ meine Augen für einen Sekundenbruchteil abirren und nickte dann einmal, schnell und kurz. Mit einer Hand griff ich an meinen Hemdkragen und zog ihn auseinander. Jinnas Amulett lugte hervor. Du magst mich, beschwor ich ihn stumm. Schenk meinen Worten Glauben. Könnten wir nicht Freunde werden?
Dann versuchte ich mich in der Rolle des Feiglings. »Ich könnte euch von Nutzen sein, Lutwin. Die Königin erwartet, dass Fürst Leuenfarb ihr den Sohn wiederbringt. Tötest du ihn und der Prinz kehrt allein zurück, wird man sich wundern und nachforschen, was ihm zugestoßen sein könnte. Lasst ihr uns am Leben und wir begleiten den Prinzen, nun, dann kann ich die Änderungen in seinem Verhalten erklären und herunterspielen. Man wird ihn aufnehmen ohne Fragen zu stellen.«
Er musterte mich abschätzend von oben bis unten. Ich beobachtete, wie er in Gedanken das Für und Wider abwog. »Und Fürst Leuenfarb würde mittun?«
Ich stieß einen geringschätzigen Laut aus. »Er besitzt nicht die Alte Macht. Er hat nur seine Augen, die ihm sagen, dass man uns den Prinzen lebend und unversehrt übergeben hat. Seine Gedanken werden vorauseilen zu dem triumphalen Empfang, der ihn als heldenhaften Retter in Bocksburg erwartet. Er wird glauben, dass es mir durch Verhandeln gelungen ist, den Prinzen freizubekommen und sich dankbar bei Hofe den Verdienst anmaßen. Oder lasst ihn Augenzeuge sein. Reiten wir dorthin, wo ihr ihn gefangen haltet. Spielen wir ihm eine Komödie vor. Lasst ihn frei, ihn und meinen Wolf, und versichert ihm, dass der Prinz und ich ihm auf dem Fuße folgen werden.« Ich nickte bekräftigend. »Genau genommen ist es gut, wenn er ein großes Stück voraus ist. Er sollte nicht miterleben, wie die Frau den Jungen in Besitz nimmt. Sein plötzliches wunderliches Gebaren könnte ihn argwöhnisch machen. Ja, so ist es am Klügsten. Lasst Fürst Leuenfarb vorausreiten.«
»Du scheinst sehr um seine Sicherheit besorgt zu sein.«
Ich zuckte die Achseln. »Er bezahlt mich sehr gut für sehr wenig Arbeit. Und er duldet meinen Wolf. Wir kommen beide langsam in die Jahre. Ein ähnlich bequemer Dienst findet sich so leicht nicht wieder.«
Lutwin grinste, doch in seinen Augen las ich Verachtung für meine Lakaienmentalität. Ich öffnete den Kragen noch etwas mehr.
Er schaute Pflichtgetreu an. »Da wäre ein Problem«, bemerkte er nüchtern. »Der Junge hat keinen Vorteil von unserem Handel. Er könnte ihn an Fürst Leuenfarb verraten.«
Ich fühlte, wie Pflichtgetreu sich anschickte, etwas zu sagen und verstärkte meine Umklammerung,
Weitere Kostenlose Bücher