Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
tiefer in die Höhle hineinging und nicht Richtung Ausgang. Ein weiteres Indiz dafür, wie lax Lutwins Stellung als Befehlshaber war. Meine Befürchtung, dass es sich bei den Gescheckten um eine veritable Armee der Zwiehaften handeln könne, wandelte sich zu der hässlichen Ahnung, dass sie in Wirklichkeit nichts anderes waren als eine Bande Unruhestifter.
    Mein Herz fand meine Freunde früher als meine Augen. Ganz hinten erspähte ich zwei dunkle Bündel, dicht nebeneinander auf dem Boden liegend. Ich fragte nicht erst um Erlaubnis. Das Messer nach wie vor an Pflichtgetreus Kehle, bugsierte ich uns darauf zu.
    Zum Ende der Höhle senkte sich die Decke und die Wände rückten zusammen. In dieser engen Tasche aus Stein lagen sie und schliefen. Ihr Bett war der Umhang des Narren, soweit man das einstige Prunkstück noch erkennen konnte. Nachtauge lag auf der Seite, in tiefem Erschöpfungsschlaf, neben ihm der Narr, schützend um den Wolf herumgebogen. Beide waren entsetzlich schmutzig. Der Narr trug einen Stofffetzen als Verband um die Stirn. Der Goldton seiner Haut war verblasst, und eine Seite seines Gesichts trug die Spuren von Schlägen. Man hatte ihm die Stiefel weggenommen, seine schmalen weißen Füße sahen zerschunden und sehr verletzlich aus. An der Kehle des Wolfs war das Fell mit Blut und Geifer verklebt, sein Atem ging pfeifend.
    Ich wollte mich neben ihnen auf die Knie werfen, aber ich wagte nicht, das Messer von Pflichtgetreus Kehle zu nehmen.
    »Wacht auf«, flüsterte ich drängend. »Wacht auf, ihr zwei. Ich bin gekommen, um euch zu holen.«
    Nachtauges Ohren zuckten, dann ging ein Auge auf. Er regte sich, versuchte den Kopf zu heben, und die Bewegung weckte auch den Narren. Er schlug die Augen auf und starrte mich ungläubig an. Resignation spiegelte sich auf seinen Zügen.
    »Ihr müsst aufstehen«, erklärte ich hastig. »Ich habe eine Abmachung mit den Gescheckten getroffen, aber ihr müsst aufstehen und euch zum Aufbruch bereitmachen. Könnt ihr marschieren?«
    Der Narr hatte den eulenhaften Blick eines Kindes, das man mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt. Steif setzte er sich auf. »Ich … Was für eine Abmachung?« Sein Blick fiel auf das Amulett an meinem Hals. Er stieß einen gedämpften Laut aus und schaute hastig zur Seite. Ich zog den Kragen zusammen. Kein Zauber sollte seinen Verstand verwirren, keine künstliche Zuneigung ihn daran hindern, mich und den Prinzen hier zurückzulassen.
    Lutwin kam auf uns zu, begleitet von Pflichtgetreus Nebelkatze. Offenbar ärgerte er sich, dass ich mit seinen Gefangenen geredet hatte, ohne dass er dabei war. Mit erhobener Stimme, so, dass er es hören konnte, sagte ich: »Ihr und der Wolf kommt frei, oder ich töte den Prinzen, das ist der Handel. Sobald Ihr in sicherer Entfernung seid, werden der Prinz und ich nachkommen. Vertraut mir.«
    Die Gelegenheit, uns unbelauscht abzusprechen, war vorüber. Der Wolf stemmte schwerfällig den Oberkörper hoch und erhob sich schwankend. Als er stand, wollten seine Hinterläufe einknicken und er taumelte einen Schritt zur Seite, bevor er sich fangen konnte. Er stank, nach geronnenem Blut und Urin und Eiter. Ich hatte keine Hand frei, um ihn zu berühren; ich durfte das Messer nicht von Pflichtgetreus Hals nehmen. Er kam und lehnte sich gegen mein Bein und unsere Gedanken gingen hin und her. Ach, Nachtauge.
    Kleiner Bruder, du lügst.
    Ja. Ich führe sie alle an der Nase herum. Kannst du den Geruchlosen an meiner Statt nach Bocksburg zurückbringen?
    Wahrscheinlich nicht.
    Dich das sagen zu hören, macht mir das Herz leicht. Viel besser als ›wir werden alle hier den Tod finden‹ .
    Ich würde lieber bleiben und an deiner Seite sterben.
    Ich möchte das lieber nicht erleben. Es würde mich von dem ablenken, was ich tun muss.
    Und was soll aus Nessel werden?
    Ihm diesen Gedanken zu vermitteln, war nicht so einfach. Ich kann nicht einem Unschuldigen das Leben stehlen um des anderen willen. Dazu habe ich nicht das Recht. Wenn wir alle sterben müssen, dann … Meine Gedanken machten einen Sprung. Die seltsame Begegnung mit jener rätselhaften Macht im Gabenstrom kam mir in den Sinn. Ich griff nach diesem Strohhalm. Vielleicht irrt der Narr, und der Lauf der Welt lässt sich nicht verändern. Vielleicht ist alles schon bestimmt, bevor wir geboren sind. Oder vielleicht wird der nächste Weiße Prophet einen besseren Katalysten wählen.
    Ich fühlte, wie er meine philosophischen Betrachtungen beiseite schob. Dann

Weitere Kostenlose Bücher