Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
unnatürlich ist, dass du dich gegen uns stellst. Ich gebe zu, allein deine Antwort auf diese eine Frage ist für mich Anlass, deinen Tod zu verschieben.« Ein warmer Glanz trat in seine Augen und der Ton seiner Stimme verriet aufrichtige Neugier. »Warum im Namen von Eda und El, die Leben und Tod in sich vereinen, wendest du dich gegen uns, die wir von deiner Art sind? Heißt du gut, was man uns antut? Das Auspeitschen, das Hängen, das Vierteilen und Verbrennen? Weshalb unterstützt du diese Abscheulichkeiten?«
Ich sprach laut und richtete meine Worte an sie alle. »Weil Unrecht ist, was ihr diesem Jungen antun wollt! Was die Frau ihrer Katze angetan hat, ist Unrecht! Ihr nennt euch nach dem Gescheckten Prinzen und behauptet, stolz auf euer Erbe zu sein und doch handelt ihr gegen die Lehren des Alten Bluts. Wie könnt ihr gutheißen, dass sie sich, um nicht sterben zu müssen, wie eine Zecke an ihrem Geschwistertier festgesetzt hat, ganz zu schweigen davon, was sie mit dem Prinzen vorhat?«
Das Licht in den Augen des Hünen wurde kalt. »Er ist ein Weitseher. Kann man ihm etwas antun, das er nicht verdient, tausend und abertausendfach?«
Bei diesen Worten erstarrte der Prinz in meinem Arm. »Lutwin, denkst du wirklich so von mir?« Die Jugend und der Unglaube in Pflichtgetreus Stimme waren herzzerreißend. »Du hast anders zu mir gesprochen, als wir zusammen geritten sind. Du hast gesagt, ich könnte eines Tages der König sein, der sein ganzes Volk unter einem gleichen Gesetz für alle vereint. Du hast gesagt …«
Lutwin schüttelte den Kopf über Pflichtgetreus Einfalt. »Ich hätte alles gesagt, um zu erreichen, dass du willig mitkommst. Ich wollte Zeit gewinnen, bis die Bindung stark genug ist. Durch die Katze habe ich Zeichen bekommen, dass es nun so weit ist. Peladine kann dich jederzeit übernehmen. Wäre nicht das Messer an deiner Kehle, hätte sie es bereits getan. Doch sie hat nicht den Wunsch, die Erfahrung des Sterbens zu wiederholen. Einmal hat ihr durchaus genügt. Sie ist langsam dahingeschwunden, von blutigem Husten gequält und mit der ständigen Angst zu ersticken. Sogar meiner Mutter war ein schnellerer Tod beschieden. Man hat sie gehängt, müsst ihr wissen, aber sie war noch nicht ganz tot, als man sie in vier Teile schnitt, um das Feuer zu nähren. Und mein Vater, nun, ich bin überzeugt, die Zeit, die Edels Schergen brauchten, um meine Mutter zu ermorden, wird ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen sein.« Er schenkte Pflichtgetreu ein unangenehmes Lächeln. »Du siehst also, die Beziehung meiner Familie zu den Weitsehern ist lang und innig. Uns verbindet eine große Blutschuld. Ich glaube, die einzige Freude, die Peladine in ihrem letzten Jahr hatte, waren die Stunden, die wir damit verbrachten, dieses Schicksal für dich zu planen. Es ist nur angemessen, dass ein Weitseher mir ein Leben wiedergibt, für die anderen, die mir genommen wurden.«
Da war sie wieder einmal aufgegangen, die Saat des Hasses, von Edel ausgestreut. Die Weitseher brauchten nicht lange suchen, um zu erfahren, weshalb man ihnen nicht hold war. Der Prinz hatte sich in einem Netz verfangen, welches aus seines Oheims Hochmut und Grausamkeit gewoben war. Hass war Edels Hinterlassenschaft auch an mich, aber ich wehrte mich gegen das Verständnis, das in mir aufkeimen wollte. Die Gescheckten waren meine Feinde. Ganz gleich, was sie gelitten haben mochten, es gab ihnen kein Recht, dieses junge Leben zu verderben. »Und was war Peladine für dich, Lutwin?«, fragte ich. Natürlich hatte ich eine Vermutung, jedoch er überraschte mich.
»Sie war meine Schwester, mein Zwilling, mir so gleich, wie eine Frau einem Mann nur gleich sein kann. Nach ihrem Tod bin ich der letzte Spross meiner Familie. Genügt dir das als Rechtfertigung?«
»Nein. Aber dir genügt es. Du würdest alles tun, um deine Schwester wieder in menschlicher Gestalt zur Seite zu haben. Du wirst ihr helfen, den Körper dieses Jungen zu stehlen, damit sie darin Wohnung nehmen kann, obwohl solches Tun ein Verstoß gegen jede Regel des Alten Blutes ist, die zu achten man uns gebietet.« Ich gab meiner Stimme einen Klang gerechter Empörung. Falls meine Worte den einen oder anderen seiner Gefolgsleute berührten, verbargen sie es gut.
Eine Schwertlänge vor uns zügelte Lutwin sein Ross. Er beugte sich aus dem Sattel und fixierte mich mit einem harten Blick. »Es steht mehr auf dem Spiel als die Trauer eines Bruders um die tote Schwester. Zerbrich die
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