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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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währt wie das unsere.«
    Damit stand sie auf und ging, und überließ es ihm, über ihre Worte nachzudenken. Kurz darauf stiegen Rehgesell und seine Gefährten zu Pferde und ritten davon. Ich merkte, dass er und Laurel einen Moment Zeit fanden, um unter vier Augen miteinander zu sprechen. Vielleicht knüpften sie zerrissene Familienbande neu. Bestimmt würde Chade mich fragen, was sie sich zu sagen gehabt hätten, aber ich konnte nicht die Energie aufbringen, sie zu belauschen.
    Die Gescheckten hatten bei ihrem Abzug einige Pferde zurückgelassen. Eins davon überließen die vom Alten Blut dem Prinzen als Reittier. Es war ein kleiner mausgrauer Wallach, vom Temperament her ebenso stumpf wie sein Fell. Dem Prinzen war es genau recht, ebenso wie der unaufhörliche Nieselregen. Vor Mittag stiegen wir auf und machten uns auf den Rückweg nach Bocksburg.
    Ich ritt auf Meine Schwarze neben dem Prinzen. Von ihrer Lahmheit war kaum noch etwas zu merken. Laurel und Fürst Leuenfarb ritten vor uns. Sie unterhielten sich, aber es war mir beim besten Willen nicht möglich, ihrem Gespräch zu folgen. Nicht dass sie flüsterten oder die Köpfe zusammensteckten, vielmehr war es eine Folge der Erstorbenheit meiner Welt. Ich fühlte mich – halbiert. Um einen wesentlichen Teil gemindert. Ich wusste, dass ich lebte, weil meine Wunden schmerzten und der Regen kalt war, aber der ganze Rest der Welt, Sinneseindrücke und Empfindungen, erreichten mich nur wie durch einen dichten Schleier. Vorbei die Zeit, als ich furchtlos durch die Dunkelheit wanderte. Der Wind kündete nicht mehr von einem Kaninchen am Hang oder einer Ricke, die eben den Pfad gekreuzt hatte. Das Essen hatte jeden Geschmack verloren.
    Dem Prinzen ging es wenig besser. Er bewältigte seinen Kummer mit ebenso viel Anstand wie ich, verschlossen und schweigend. Unausgesprochene Vorwürfe standen wie eine Mauer zwischen uns. Wäre er nicht gewesen, würde mein Wolf noch leben oder hätte zumindest einen weniger elenden Tod gehabt. Andererseits hatte ich seine Katze getötet, vor seinen Augen. Verschlimmert wurde die Situation dadurch, dass noch immer ein feines Gespinst der Gabe uns verband. Ich konnte ihn nicht ansehen, ohne seine tiefe Traurigkeit zu spüren. Und er fühlte wahrscheinlich meine stumme Anklage. Natürlich war es nicht gerecht, aber ich litt zu sehr, um gerecht zu sein. Hätte der Prinz nicht seine Herkunft vergessen und seine Pflichten, wenn er in Bocksburg geblieben wäre, wäre seine Katze noch am Leben und auch mein Wolf. Ich sprach es nicht aus. Es brauchte nicht ausgesprochen werden.
    Der Ritt nach Bocksburg verlief für uns alle wenig erquicklich. Als wir die Straße erreichten, wandten wir uns nach Norden. Keiner hatte Lust auf ein Wiedersehen mit Hallerby und dem Gasthaus Zum Gescheckten Prinzen. Ungeachtet Rehgesells Beteuerungen, Lady Bresinga und ihre Familie hätten nichts mit der Verschwörung gegen den Prinzen zu tun gehabt, hielten wir sorgfältig Abstand zu ihren Ländereien und Burg Tosen. Herbstregen setzte ein. Die vom Alten Blut hatten uns von ihrem Proviant abgegeben, was sie entbehren konnten, aber es war bitter wenig. In dem ersten kleinen Dorf, in das wir gelangten, gönnten wir uns eine Übernachtung in der mehr als dürftigen Herberge. Fürst Leuenfarb berappte eine erkleckliche Summe für einen Boten, der auf schnellstmöglichem Wege seinem ›Vetter‹ in Burgstadt ein Schreiben überbringen sollte. Wir selbst ritten querfeldein in Richtung der nächsten Fähre über den Bocksfluss. Der Umweg kostete uns zwei zusätzliche Tage. Wir kampierten im Regen, aßen unsere kärglichen Rationen und schliefen in Nässe und Kälte. Ich wusste, der Narr zählte besorgt die weniger werdenden Tage bis zum neuen Mond und der Verlobungszeremonie des Prinzen. Trotzdem drängte er nicht auf einen Gewaltritt, weshalb ich vermutete, dass er seinem Boten Zeit verschaffen wollte, um die Burg zu erreichen und die Königin über die Umstände unserer Ankunft in Kenntnis zu setzen. Möglich auch, dass er sowohl dem Prinzen als auch mir ermöglichen wollte, über unseren Verlust hinwegzukommen, bevor wir in das Getriebe der Königsburg zurückkehrten und Pflichtgetreu seiner Mutter und der Hofgesellschaft unter die Augen treten musste.
    Stirbt ein Mensch nicht an einer Wunde, dann heilt sie irgendwann, und genauso verhält es sich, wenn jemand stirbt, den man geliebt hat. Nach dem ersten scharfen Schmerz des unmittelbaren Verlusts kamen die grauen Tage

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