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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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vergraben. Ich drückte ihn an mich und meine Arme pressten ihm den letzten erstorbenen Atem aus den Lungen. Aber Nachtauge war fort. Regen stürzte in kalten grauen Schwaden vor dem Höhleneingang nieder.

Kapitel 27 · Lektionen
    Bevor die Ausbildung in der Gabe beginnen kann, muss Widerstand gegen die Unterweisung ausgeräumt werden. Manche Gabenmeister vertreten die Ansicht, dass sie grundsätzlich einen Anwärter einen Jahr und einen Tag kennen müssen, bevor sie sich entschließen, ihn aufzunehmen. Die anderen, mochten sie auch noch so gute Anlagen gezeigt haben, werden dann in ihr altes Leben entlassen.
    Andere Meister halten dagegen, diese Methode sei eine Vergeudung von Talent und Zeit. Sie vertreten einen radikaleren Weg zur Überwindung eines möglichen Widerstands von Seiten des Schülers, einen der nicht so sehr Vertrauen schaffen will, sondern vielmehr die Unterwerfung des Schülers unter den Willen des Lehrers zum Ziel hat. Strikte Übungen in Askese und Selbstkasteiung bilden die Basis dafür. Der Schüler soll einzig danach streben, dem Meister wohlgefällig zu sein. Mittel, um eine solche demütige Geisteshaltung zu erzielen, sind Fasten, Kälte, Schlafentzug und Disziplin. Die Anwendung dieser Methode empfiehlt sich in Zeiten der Bedrängnis, wenn die Lage es erfordert, Kordialen schnell und in großer Zahl auszubilden und zusammenzustellen. Die nach diesen Regeln herangezogenen Gabenkundigen mögen nicht ein so hohes Niveau erreichen wie jene der philosophischen Schule, aber so gut wie jeder Schüler mit einem gewissen Maß an Talent kann auf diese Weise gezwungen werden, innerhalb seiner Grenzen zu funktionieren.
    WEMDEL, GESELLE VON GABENMEISTER QUILO: ›BEOBACHTUNGEN‹
    Einen Tag und eine Nacht lang hielt die Heilerin vom Alten Blut Prinz Pflichtgetreu in einem dem Tode ähnlichen Zustand. Fürst Leuenfarb war in Angst um ihn, trotz Laurels Beteuerungen, sie habe das schon einmal gesehen und die Heilerin täte nur, was notwendig sei. Was mich anging, ich beneidete Pflichtgetreu. Mir wurde keine derartige Zuflucht angeboten, überhaupt richtete man kaum das Wort an mich. Zum Teil mochte es demonstrative Nichtachtung sein: Wenn man sich seiner Verpflichtungen gegenüber einer Gemeinschaft entzieht, hat man auch das Anrecht auf Schutz und Fürsorge dieser Gemeinschaft verwirkt. Ich glaube nicht, dass es ausschließlich kaltherzige Gleichgültigkeit war. Ich war sowohl ein Erwachsener als auch ein Außenstehender; man erwartete von mir, dass ich den Verlust auf meine eigene Weise bewältigte. Was sollten sie als Fremde zu mir sagen? Und es gab absolut gar nichts, was sie tun konnten, um mir zu helfen.
    Ich war mir des Mitgefühls von Seiten des Narren bewusst, aber es berührte mich nur am Rande. Als Fürst Leuenfarb musste er Abstand wahren. Nachtauges Tod hatte mich einsam gemacht und in mehr als einer Hinsicht betäubt. Der Verlust seiner Nähe, Wärme und Freundschaft war schlimm genug, aber mit ihm hatte ich auch den Zugang zu seinen schärferen Sinnen verloren. Was ich hörte, roch, schmeckte, alles war flach und fad. Für mich hatte die Welt ihren Glanz verloren. Er war fortgegangen und ich war dazu verdammt, an einem schalen, grauen Ort zurückzubleiben, allein.
    Ich errichtete einen Scheiterhaufen und verbrannte meinen toten Freund. Die vom Alten Blut sahen es mit Missfallen, aber es war meine Art der Trauer, und ich hielt daran fest. Ich schnitt mir mit dem Messer die Haare ab und verbrannte sie mit ihm, dicke weiße und schwarze Strähnen. Dazu gesellte sich eine lange, verspielte Locke von lohfarbenem Gold. Wie Burrich es einst für Hexe getan hatte, bewachte ich das Feuer den ganzen Tag, kämpfte gegen den Regen, der es zu ersticken drohte und legte Holz nach, wann immer die Flammen in sich zusammenfielen, bis selbst die Gebeine des Wolfs zu Asche geworden waren.
    Am zweiten Morgen erlaubte die Heilerin dem Prinzen zu erwachen. Sie saß neben ihm und beobachtete, wie er langsam wieder zu sich kam. Ich stand etwas abseits, hatte aber ebenfalls ein Auge auf ihn. Das Bewusstsein kehrte stufenweise zurück, erst in seine Augen, dann in sein Gesicht. Seine Hände machten kleine, unruhig knetende Bewegungen, aber die Heilerin bedeckte sie mit den ihren und hielt sie fest. »Du bist nicht die Katze. Die Katze ist tot. Du bist ein Mensch, und du musst weiterleben. Der Segen des Alten Blutes ist, dass sie ihr Leben mit uns teilen. Der Fluch besteht darin, dass dieses Leben nur selten so lange

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