Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Gedanke rief keine Begeisterung in mir hervor. Seit unserem unrühmlichen Abschied von Burg Tosen, hatte kein Rasiermesser mehr mein Gesicht berührt.
»Dieses Vorhaben findet meine Zustimmung. Ich möchte nicht, dass wir wie drei Lumpensammler in der Burg Einzug halten.«
Ich nickte, hatte dabei aber mein von Katzenkrallen zerschlissenes Hemd vor Augen. Dann erinnerte ich mich an die Federn. »Ich habe etwas, das ich dir zeigen möchte«, begann ich und griff unter das Kissen, aber genau in diesem Moment tat der Prinz einen tiefen Atemzug und schlug die Augen auf.
Fürst Leuenfarb schaute zu ihm hin. »Guten Morgen, Hoheit.«
»Guten Morgen«, dankte er müde. »Fürst Leuenfarb, Tom Dachsenbless.« Er wirkte etwas erholter als bei unserer Ankunft gestern. Mir gegenüber legte er ganz die frühere Förmlichkeit an den Tag. Ich war erleichtert.
»Guten Morgen, Hoheit«, sagte ich mit einer Verneigung.
Und so begann der Tag. Wir nahmen das Frühstück in unserer Kammer ein; nach den Speisen brachte man unsere gereinigte und geflickte Kleidung. Fürst Leuenfarb glänzte fast in seiner alten Pracht, und der Prinz sah ordentlich aus, wenn auch nicht königlich. Wie befürchtet waren meine Kleider durch das Waschen nicht vorzeigbarer geworden. Ich erbat mir von dem Hausknecht Nadel und Faden, unter dem Vorwand, ich wolle einen Abnäher in den Hemdärmel machen. In Wirklichkeit wollte ich eine Tasche hineinnähen. Fürst Leuenfarb musterte mich und seufzte. »Ihn meinem Stand gemäß staffiert zu halten, Dachsenbless, könnte sich leicht als der größte Posten Seines Unterhalts erweisen. Nun sehe Er zu, was er an dem Rest Seiner Person verbessern kann.«
Ich war der Einzige, der sich rasieren musste. Fürst Leuenfarb ließ heißes Wasser, Rasiermesser und Spiegel bringen, und während er sich ans Fenster setzte und auf den kleinen Fährflecken hinunterschaute, begann ich mit meinem Verschönerungswerk. Gleich fiel mir auf, dass der Prinz wie gebannt jede meiner Bewegungen verfolgte. Eine Weile ignorierte ich sein Starren. Als ich mich zum zweiten Mal schnitt, verschluckte ich einen Fluch, dafür entfuhr mir schroff die Frage: »Was ist? Habt Ihr noch nie gesehen, wie ein Mann sich rasiert?«
Eine leichte Röte stieg ihm ins Gesicht. »Nein.« Mit abgewandtem Blick fügte er hinzu: »Ich habe nicht viel Zeit in der Gesellschaft von Männern verbracht. Oh, ich habe mit den Vornehmen am Hof gespeist und der Beize gefrönt und mit den anderen Knaben von Geblüt meine Fechtübungen absolviert. Aber …« Er schien plötzlich nicht weiter zu wissen.
Ebenso plötzlich erhob sich Fürst Leuenfarb von seiner Fensterbank. »Ich denke, ich werde einen kleinen Gang durch dieses bezaubernde Örtchen unternehmen, bevor wir ihm den Rücken kehren. Mit Eurer Hoheit Erlaubnis.«
»Selbstverständlich, Fürst. Ganz nach Eurem Belieben.«
Ich nahm an, dass der Prinz ihn begleiten würde, doch er blieb. Er schaute mir zu, wie ich mich fertig rasierte und als ich mir den Rest Seife von dem brennenden Gesicht spülte, erkundigte er sich neugierig: »Ist Rasieren schmerzhaft?«
»Brennt etwas. Aber nur, wenn man zu hastig zu Werke geht, was ich immer tue, und sich dabei schneidet.« Mein zum Zeichen der Trauer gekapptes Haar sträubte sich in wilden Büscheln nach allen Richtungen. Merle hätte es ordentlich geschnitten, dachte ich und schalt mich einen Gauch und Gimpel und klebte es mir mit Wasser glatt an den Kopf.
»Es wird nicht unten bleiben. Sobald es getrocknet ist, steht es wieder hoch«, bemerkte der Prinz altklug.
»Ich weiß, Hoheit.«
»Hasst du mich?«
Die Frage, aus heiterem Himmel kommend, brachte mich für einen Moment aus dem Gleichgewicht. Ich legte das Handtuch weg und begegnete seinem ernsten Blick. »Nein, ich hasse Euch nicht.«
»Weil ich es verstehen könnte. Wegen deines Wolfs und überhaupt.«
»Nachtauge.«
»Nachtauge.« Er wiederholte den Namen langsam und sorgfältig. Dann wandte er plötzlich den Blick von mir ab und zur Seite. »Den Namen meiner Katze habe ich nie erfahren.« Man hörte an seiner Stimme, dass ihm die Kehle eng wurde. Ich schwieg und harrte der Dinge, die noch kommen mochten. Endlich holte er tief Atem. »Ich hasse dich auch nicht.«
»Das ist gut zu wissen.« Ich hielt es für richtig hinzuzufügen: »Die Katze hat mir gesagt, ich soll sie töten.« Obwohl ich nicht das Gefühl hatte, mich rechtfertigen zu müssen, hörte es sich an wie eine Rechtfertigung.
»Ich weiß. Ich
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