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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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strömte in den Raum. Ich schloss die Augen und brachte mich ins Gleichgewicht. Behutsam, als wollte ich Glasscherben aufheben, griff ich nach ihm.
    Er war da, still und gespannt wie eine lauernde Katze. Ich spürte ihn, wartend und auf der Hut und doch nicht ahnend, dass ich am Rand seines Bewusstseins stand. Sein Gabensinn war ein krudes, ungeschliffenes Werkzeug. Ich zog mich ein wenig zurück und studierte ihn von allen Seiten, wie ein Fohlen, das ich zureiten wollte. Seine Wachsamkeit war eine Mischung aus Angst und Aggression, ebenso Waffe wie Schild, noch ungeschickt gehandhabt. Und es war auch nicht reine Gabe. Es ist schwierig zu beschreiben, aber seine Gabe glich einem weißen Lichtstrahl mit Rändern aus waldgrüner Dunkelheit. Er spürte nach mir mit der Alten Macht. Die Alte Macht verbindet nicht einen Menschen mit einem anderen, aber sie kann mir das Tier bewusst machen, mit dem dieser andere Mensch verschwistert ist. So verhielt es sich mit Pflichtgetreu. Seiner Katze beraubt, auf die seine Alte Macht sich richtete, war diese ein weit ausgeworfenes Netz, das neue Verschwisterung suchte. Wie die meine auch, wurde mir plötzlich bewusst.
    Ich prallte vor dieser Erkenntnis zurück und fand mich in meinem eigenen Körper wieder. Sogleich schloss ich meine Schutzwälle gegen das ungeübte Tasten seiner Gabe. Doch noch während ich damit beschäftigt war, musste ich erkennen, dass es zwei Tatsachen gab, die ich nicht leugnen konnte. Das Band der Gabe, das mich mit Pflichtgetreu verband, wurde stärker mit jedem Mal, da ich es benutzte. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich es durchtrennen, geschweige denn, meinen Gabenbefehl von ihm nehmen konnte.
    Die dritte Tatsache war ebenso bitter wie die beiden anderen beunruhigend. Ich suchte. Bewusst hatte ich nicht den Wunsch, ein neues Geschwistertier zu finden, doch ohne Nachtauge, der sie auf sich zog, breitete meine Alte Macht sich aus, in immer weiteren Kreisen, streckte suchende Fühler in alle Welt. Vorhin hatte ich einen Hunger in den Augen des Prinzen gesehen, ein verzweifeltes Sehnen nach Zugehörigkeit und Gemeinschaft. Strahlte ich die gleiche Bedürftigkeit aus? Ich verschloss mein Herz und zwang mich, still zu sein. Geduld. Zeit heilt alle Wunden. Diese Lüge wiederholte ich in Gedanken, bis der Schlaf mich übermannte.
    Ich erwachte, als Helligkeit vom Fenster her mein Gesicht berührte. Zwar schlug ich die Augen auf, rührte mich aber sonst nicht. Das Unwetter schien abgezogen zu sein; Morgenlicht erfüllte die Kammer wie klares, leuchtendes Wasser eine verwunschene Quelle. Ich fühlte mich eigenartig leer, ein Zustand wie nach langer Krankheit, wenn die Krise überstanden ist und die Genesung beginnt. Träge griff ich nach einem entschwindenden Traumgesicht, bekam aber nur einen letzten Zipfel zu fassen, die Ahnung eines Sommermorgens, unter mir das Meer und salziger Wind im Gesicht.
    Der Schlaf war geflohen, aber mir war nicht danach, aufzustehen und dem Tag die Stirn zu bieten. Ich fühlte mich wie im Innern einer unsichtbaren schützenden Kapsel, und wenn ich mich nicht rührte, konnte ich noch ein Weilchen in diesem Zustand inneren Friedens verharren. Ich lag auf der Seite, Hand und Arm unter dem flachen Kissen. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich die vom Kleinodenstrand mitgebrachten Federn unter den Fingern spürte.
    Ich hob den Kopf, um einen Blick darauf zu werfen, aber plötzlich drehte sich die Kammer um mich, als hätte ich zu viel getrunken. Die Wirklichkeiten des bevorstehenden Tages – der lange Ritt zurück zur Burg, die Begegnungen mit Chade und Kettricken anschließend, das Wiederaufnehmen meines Daseins als Tom Dachsenbless – stürzten auf mich ein. Ich setzte mich langsam auf.
    Der Prinz schlief noch. Vorsichtig drehte ich den Kopf und entdeckte den Narren, der mich unter halbgesenkten Lidern hervor beobachtete. Er lag im Bett auf der Seite, das Kinn auf die Faust gestützt. Er sah müde aus, aber auch unausstehlich zufrieden mit sich und der Welt.
    »Ich habe nicht damit gerechnet, dich heute Morgen in deinem Bett zu finden«, begrüßte ich ihn und musste dann einfach fragen: »Wie bist du hereingekommen? Ich hatte abgeschlossen.«
    »Ach ja? Interessant. Aber du kannst schwerlich überraschter sein, mich in meinem Bett zu finden, als ich es bin, dich in deinem zu sehen.«
    Ich ließ die Spitze an mir abprallen. Mein Bart juckte, ich kratzte mich an der Wange. »Höchste Zeit für eine Rasur«, sagte ich vor mich hin. Der

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