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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sich alles andere als glücklich an. Nach einer Weile fügte er hinzu: »Es kommt mir vor, als wäre ein Jahr vergangen, seit ich die Burg verlassen habe, und dabei ist es nicht einmal ein ganzer Monat. Ich erinnere mich, wie ich auf meinem Bett lag und die Tage zählte, bis zum Neumond und dieser schrecklichen Zeremonie. Dann – eine Zeit lang glaubte ich, es bliebe mir erspart. Den ganzen Tag heute war es ein seltsames Gefühl zu wissen, dass ich im Begriff bin, in mein altes Leben zurückzukehren, dass ich all die losen Enden wieder aufnehmen werde, an Gewesenes anknüpfen, als wäre nie etwas geschehen. Es ist niederschmetternd. Auf dem ganzen Ritt hierher versprach ich mir einen ruhigen Tag oder zwei, etwas Zeit für mich allein, um herauszufinden, wie sehr ich mich verändert hatte. Und jetzt – schon heute Abend trifft die Gesandtschaft von den Äußeren Inseln ein, um die Verlobung zu besiegeln. In dieser Nacht entscheiden meine Mutter und die Edlen der Outislander über den weiteren Verlauf meines ganzen restlichen Lebens.«
    Ich versuchte mir ein Lächeln abzuringen, aber mir war zumute, als brächte ich ihn zu seiner Hinrichtung. Um Haaresbreite war ich seinerzeit einem ähnlichen Schicksal entgangen. Was gab es Ermutigendes zu sagen? »Ihr könnt es bestimmt kaum noch erwarten, Eure Braut kennen zu lernen.«
    Er warf mir einen Blick zu, der Bände sprach. »Es ist erschreckend, dem Mädchen gegenüberzutreten, das man zur Gemahlin nehmen wird, wenn man weiß, dass die eigenen Vorlieben nicht den geringsten Einfluss auf die Sache haben.« Er stieß ein kurzes, grämliches Lachen aus. »Auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich ziemlich töricht angestellt habe, als ich nach eigener Wahl mein Herz verschenkte.« Er seufzte. »Sie ist elf. Elf Sommer alt.« Er schaute zur Seite. »Worüber soll ich mit ihr sprechen? Puppen? Nähen und Sticken?« Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die kalte Mauer. »Ich glaube nicht, dass man die Frauen auf den Äußeren Inseln überhaupt das Lesen lehrt. Männer auch nicht, was das angeht.«
    »Hm.« Ich überlegte angestrengt, aber mehr fiel mir nicht ein. Zu erwähnen, dass vierzehn nicht sehr viel älter war als elf, hätte ihn unnötig verletzt. Wir warteten schweigend.
    Ohne die geringste Vorwarnung öffnete der Himmel seine Schleusen und Regen stürzte herab wie aus Kübeln. Das ohrenbetäubende Prasseln machte ein Gespräch unmöglich, und ich war nicht böse darum. Wir verkrochen uns in unsere Umhänge, während die Pferde schicksalsergeben mit hängenden Köpfen den Wolkenbruch über sich ergehen ließen.
    Nach einer Ewigkeit, wie es mir vorkam, tauchte Chade auf, um den Prinzen auf geheimen Wegen in die Burg zu geleiten. Er sagte nicht viel, eine hastige Begrüßung im Regenrauschen, das Versprechen, man werde sich bald sehen, und dann waren sie fort. Allein in Kälte und Nässe zurückgelassen, grinste ich sauer in mich hinein. Genau wie ich es erwartet hatte. Der alte Fuchs hatte sein Schlupfloch noch in Gebrauch, aber nicht einmal mir wollte er den Eingang zeigen. Ich holte tief Atem. Auch gut. Ich hatte meine Pflicht getan. Ich hatte den Prinzen heil und gesund und rechtzeitig zu seinem Verlöbnis nach Hause gebracht. Ich probierte verschiedene Gefühle aus. Triumph. Freude. Jubel. Nein. Nass, ausgelaugt, hungrig. Durchgefroren bis ins Mark. Allein.
    Leer.
    Ich stieg auf Meine Schwarze und ritt durch die himmlischen Sturzfluten, den Mausgrauen des Prinzen zog ich hinter mir her. Es dämmerte, und die Hufe der Pferde rutschten auf der dicken Schicht aus nassem Laub, die den Waldboden bedeckte. Es ging nur im Schritt voran. Das Gesträuch, durch das wir uns einen Weg bahnen mussten, war regenschwer. Ich hatte nicht geglaubt, dass man nasser werden konnte als nass, wurde aber nun eines Besseren belehrt. Endlich am Rand der Straße zur Burg hinauf angelangt, fand ich sie verstopft mit Menschen und Pferden und Sänften. Da ich zu bezweifeln wagte, dass man mir Platz machen oder gar erlauben würde, mich in die Prozession einzureihen, hielten wir drei bescheiden auf dem Bankett, der kleine Mausgraue, Meine Schwarze und ich, und schauten zu, wie die Menge vorüberzog.
    Erst kamen die Fackelträger, die ihre lodernden Flambeaus hochhielten, um den Weg zu erleuchten. Ihnen folgte auf Atlasschimmeln die Leibgarde der Königin in Purpur und Weiß und mit dem Fähenwappen, sehr prächtig und triefend nass. Nachdem sie vorüber waren, kam eine

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