Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
damit ich dir raten kann, wie man sie kuriert. Abschließend ersuche ich dich, Lord Chivalric Weitseher meine respektvollen Grüße zu übermitteln. Berichte ihm in meinem Namen, dass das Hengstfohlen, welches er in meiner Obhut gelassen hat, immer noch unter der plötzlichen Trennung von seiner Mutter leidet. Sein Wesen zeigt sich launisch und argwöhnisch, doch steht zu hoffen, dass Freundlichkeit und Geduld in Verbindung mit einer festen Hand bewirken werden, dass es dieses Verhalten ablegt. Es neigt außerdem zur Bockigkeit, was die Geduld seines Ausbilders auf eine harte Probe stellt, aber das, glaube ich, können wir dem ähnlichen Temperament seines Erzeugers zuschreiben. Disziplin könnte die Unart zu Charakterstärke wandeln. Ich verbleibe, wie stets, sein zutiefst ergebener Diener.
Meine besten Wünsche auch an deinen Ehegemahl, Langmann, und die Kinder, und ich freue mich, wenn dich der Weg das nächste Mal nach Bocksburg führt, unsere Wette auszutragen, nämlich, welcher Hund die größere Beharrlichkeit auf der Pirsch zeigt, meine Hexe oder dein Dockstert.«
BURRICH, STALLMEISTER ZU BOCKSBURG
Auf dem letzten Stück Weg zur Hütte wogten schwarze Schleier vor meinen Augen. Ich legte dem Narren die Hand auf die schmale Schulter und bugsierte ihn zur Tür. Er stolperte die Verandastufen hinauf. Der Wolf folgte uns. Ich schob den Narren zu einem Stuhl, und er sank darauf nieder. Nachtauge begab sich stracks in meine Schlafkammer und kletterte auf mein Bett. Er machte kraftlos Anstalten, die Decken zusammenzuscharren, dann rollte er sich hinein und sank in einen totenähnlichen Schlaf. Ich spürte mit der Alten Macht nach ihm, doch er hatte sich gegen mich verschlossen. Es musste mir genügen, das rhythmische Heben und Senken seines Brustkorbs zu beobachten, während ich das Feuer schürte und den Wasserkessel darüber hängte. Jeder Schritt dieser einfachen Verrichtungen erforderte meine volle Konzentration. Das Dröhnen in meinem Schädel wollte mich zwingen, alles sein zu lassen und mich in mein Elend zu ergeben, aber das konnte ich mir jetzt nicht erlauben.
Der Narr, am Tisch sitzend, hatte den Kopf auf die verschränkten Arme gebettet, ein Bild des Jammers. Als ich die Dose mit Elfenrinde vom Bord nahm, drehte er den Kopf und beobachtete mich. Sein Gesicht verzog sich bei der Erinnerung an die schwarze, getrocknete Borke. »Du hast wohl immer einen Vorrat parat?« Seine Stimme war ein Krächzen.
»Stimmt.« Ich maß die benötigte Menge ab und fing an, sie im Mörser zu zerstoßen. Sobald etwas Pulver entstanden war, tauchte ich den Finger hinein und rieb ihn über den Rand meiner Zunge. Ich spürte eine flüchtige Linderung der Schmerzen.
»Und gönnst du dir häufiger ein Tässchen davon?«
»Nur wenn es sein muss.«
Er atmete tief ein und aus, dann erhob er sich mit vorsichtigen Bewegungen und holte zwei Becher. Als das Wasser kochte, goss ich eine Kanne Rindentee auf. Die Droge linderte die Kopfschmerzen vom Gebrauch der Gabe, doch man tauschte dafür eine ziellose Unruhe und düsteren Weltschmerz ein. Es gab Gerüchte, wonach man in Chalced den Sklaven von dem Tee zu trinken gab, damit sie einmal länger und schwerer arbeiten konnten und zum anderen keine Lust mehr hatten zu fliehen, weil es ihnen aussichtslos erschien. Elfenrinde soll angeblich süchtig machen, aber das kann ich nicht bestätigen. Mag sein, dass die zwangsweise Verabreichung über einen längeren Zeitraum zur Abhängigkeit führt, aber ich selbst habe den Tee immer nur als Medizin getrunken. Man sagt auch, dass er bei jungen Menschen die Veranlagung für die Gabe auslöscht und bei älteren Gabenkundigen ihr Erstarken hemmt. Letzteres wäre mir willkommen gewesen, doch nach meiner Erfahrung lähmt Elfenrinde zwar die Fähigkeit, von der Gabe Gebrauch zu machen, tötet aber nicht das Verlangen, es zu tun.
Ich ließ den Tee ziehen, dann goss ich zwei Becher voll und süßte ihn mit Honig. Sollte ich um Minze in den Garten gehen? Viel zu weit. Viel zu anstrengend. Ich stellte dem Narren einen Becher hin und setzte mich ihm gegenüber an den Tisch.
Er hob in einem Anflug von Galgenhumor seinen Becher zu einem Trinkspruch. »Auf den Weißen Propheten und seinen Katalysten.«
»Der Narr und der Bastard«, stimmte ich ein und stieß mit ihm an.
Ich nahm einen Schluck. Der bittere Geschmack der Elfenrinde erfüllte meinen ganzen Mund und mein Hals zog sich zusammen. Der Narr beobachtete mich, dann nahm er selbst einen
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