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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schmecken, die Ausdünstung meines in der Nähe liegenden Körpers zu wittern. Ich löste meine Wahrnehmungen von den seinen, dann aber hing ich in der Schwebe zwischen nicht hier und nicht dort. Ich wusste nicht, wie ich den Weg zurückfinden sollte in meinen eigenen Körper.
    Dann glaubte ich, etwas zu spüren, ein leichtes Zupfen, noch zarter, als wenn mir jemand einen Fussel vom Hemd gepflückt hätte. Danach zu greifen war, als versuchte man einen Sonnenstrahl zu fassen. Ich sank verzweifelt zurück in mein formloses Selbst, überzeugt dass mein grobes Haschen den schwachen Strahl zerstört hatte. Ich hielt mein Bewusstsein klein und still, lauerte wie eine Katze vor dem Mauseloch. Das Zupfen kam wieder, zart wie Mondschein durch Blätter. Ich zwang mich stillzuhalten, abzuwarten, mich finden zu lassen. Wie ein feiner Goldfaden berührte es mich schließlich, prüfte mich und als es sich überzeugt hatte, dass ich der Gesuchte war, machte es sich an mir fest und zog mich, einmal kräftiger, einmal schwächer, zu sich heran. Der Zug war beharrlich, aber nicht stärker als von einem Haar. Ich konnte nichts tun, um den Übergang zu beschleunigen. Im Nichts hängend, voller Angst, der Spinnwebfaden könne zerreißen, musste ich geduldig warten, während ich von Nachtauge weg-und zu meinem Körper hingezogen wurde. Dann ging es plötzlich leichter, und ich konnte aus eigener Kraft weiterfließen.
    Endlich erkannte ich meine regungslose Gestalt. Ich strömte in mich selbst hinein und erschrak darüber, wie kalt und steif die fleischliche Hülle meiner Seele geworden war. Meine Augen fühlten sich klebrig und trocken an, weil sie so lange starr offen gestanden hatten. Zuerst konnte ich nichts sehen. Konnte auch nicht sprechen, denn mein Mund und Hals waren ausgedörrt wie Leder. Ich versuchte, mich umzudrehen, aber meine Muskeln waren verkrampft und hart und erlaubten mir nur kleinste Bewegungen. Doch selbst Schmerzen zu fühlen war herrlich, denn es war mein Schmerz, Signale meines eigenen Körpers an mein Gehirn. Ich stieß ein heiseres Krächzen der Erleichterung aus.
    Aus den schüsselartig zusammengelegten Händen des Narren rieselte Wasser über meine Lippen und fand den Weg in meinen Schlund. Mein Sehvermögen kehrte zurück, verschwommen erst noch, aber ich konnte erkennen, dass die Sonne weit jenseits des Zenits stand. Ich war etliche Stunden außerhalb meines Körpers gewesen. Nach einer Weile fand ich die Kraft, mich aufzurichten. Sofort spürte ich nach Nachtauge. Er lag immer noch lang ausgestreckt neben mir, nicht schlafend, sondern in einem Zustand tiefer Bewusstlosigkeit. Als ich ihn berührte, nahm ich ihn als winzigen Funken wahr, tief in Schwärze begraben. Das stetige Pochen seines Pulsschlags erfüllte mich mit einer ungeheuren Freude. Ich versuchte, ihn zu erreichen.
    Geh weg! Er war noch immer zornig auf mich. Ich ließ mir die Stimmung davon nicht verderben. Seine Lungen arbeiteten, sein Herz schlug einen regelmäßigen Takt. Dass er jetzt erschöpft war – wie auch meine Angst, den Weg zurück nicht zu finden – erschien mir ein geringer Preis für die Rettung seines Lebens.
    Etwas später wurde ich mir der Gegenwart des Narren bewusst. Er kniete neben mir, den Arm um meine Schultern gelegt. Ich hatte nicht gemerkt, dass er mich stützte. Wacklig drehte ich den Kopf, um ihn anzusehen. Sein Gesicht war eingefallen, die Stirn schmerzlich gefurcht, doch er brachte ein schiefes Lächeln zustande. »Ich wusste nicht, ob ich es tun konnte. Aber mir ist kein anderes Mittel eingefallen, um dir zu helfen.«
    Nach einer Minute schwerfälligen Grübelns begriff ich, was er mir sagen wollte. Ich richtete den Blick auf mein Handgelenk. Die Abdrücke seiner Finger waren deutlicher, nicht silbern wie damals, als er mich das erste Mal mit der Gabe berührte, aber dunkler grau als in den letzten Jahren. Das Band geistiger Verbundenheit zwischen uns war um einen Spinnwebfaden dichter geworden. Ich war empört über das, was er sich zu tun erdreistet hatte.
    »Wahrscheinlich muss ich mich bei dir bedanken.« Ich hörte selbst, dass es feindselig klang, aber ich fühlte mich – vergewaltigt. Es war mir zuwider, dass er mich auf diese Weise berührt hatte, ohne meine Zustimmung. Kindisch, aber ich hatte nicht die Kraft, vernünftig zu sein.
    Er lachte laut, aber ich hörte den hysterischen Unterton darin. »Ich habe nicht angenommen, dass es dir gefallen würde. Trotzdem, mein Freund, ich konnte nicht anders.

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