Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Ich musste es tun.« Er holte schwer Atem. Mit weicherer Stimme fügte er hinzu. »Und schon fängt es wieder an. Kaum zwei Tage bin ich hier und schon greift das Schicksal nach dir. Wird das immer der Preis sein? Muss ich dich immer in die Nähe des Todes bringen bei meinen Bemühungen, die Welt auf einen besseren Weg zu führen?« Sein Griff um meine Schultern wurde fester. »Ach Fitz, wie kannst du mir immer wieder vergeben, was ich dir antue?«
Das kann ich nicht, sagte es in mir, aber ich sprach es nicht aus. Ich wich seinem Blick aus. »Ich möchte einen Augenblick allein sein. Bitte.«
Er schwieg fast greifbar. »Selbstverständlich.« Er ließ den Arm von meinen Schultern sinken, stand auf und entfernte sich ein paar Schritte. Es war eine Erleichterung. Seine Berührung hatte den Gabenbund zwischen uns verstärkt, und ich fühlte mich angreifbar. Der Narr wusste nicht, wie er ihn benutzen konnte, um meinen Verstand zu plündern, aber das machte meine Angst nicht geringer. Jedes Messer an meiner Kehle war eine Bedrohung, mochte die Hand, die es hielt, auch die besten Absichten haben.
Andererseits hatte der Narr keine Ahnung, wie wehrlos er gegen einen Lauschangriff von meiner Seite war. Das Wissen führte mich in Versuchung, lockte mich, eine engere Verbindung herzustellen. Ich brauchte ihn nur zu bitten, noch einmal mein Handgelenk zu umfassen. Mehr war nicht notwendig. Dann hätte ich in ihn eindringen können, all seine Geheimnisse erforschen, ihm seine Kraft rauben. Ich hätte seinen Körper zu einem zusätzlichen Glied meines eigenen machen können, sein Leben und seine Zeit für meine Zwecke missbrauchen können.
Es war ein schändliches Verlangen. Ich hatte gesehen, was aus denen wurde, die ihm nachgaben. Wie konnte ich ihm verzeihen, dass er diesen Hunger in mir geweckt hatte?
In meinem Schädel hämmerte der vertraute, vom Gebrauch der Gabe ausgelöste Schmerz, während mein Körper sich wund und matt anfühlte wie nach einer Schlacht. Mir war, als hätte man mich inwendig roh und blutig geschunden und selbst die Berührung eines Freundes tat weh. Ich erhob mich mühsam und stolperte mit weichen Knien zum Bachufer, wo ich versuchte, mich hinzuknien. Es war leichter, bäuchlings liegend zu trinken. Nachdem mein Durst gestillt war, warf ich mir mit vollen Händen Wasser ins Gesicht, rieb es in die Haare und über die Augen, bis sie tränten. Die Feuchtigkeit tat wohl und ich konnte wieder deutlich sehen.
Ich schaute auf den schlaffen Körper meines Wolfs und richtete dann den Blick auf den Narren.
Er stand gebeugt da, mit hängenden Schultern und zusammengepressten Lippen. Ich hatte ihn verletzt. Mir schlug das Gewissen. Ich verdankte ihm, dass mein Körper und Geist wieder eins waren, und doch, mit einem verstockten Teil meines Herzens wollte ich ihm immer noch nicht verzeihen, was er getan hatte. Ich suchte nach irgendeiner Rechtfertigung, um an dieser Albernheit festhalten zu können. Es gab keine. Doch leider hilft das Wissen, dass man kein Recht hat, sich zu ärgern, nicht immer, den Ärger restlos zu überwinden. »So ist es besser«, sagte ich und schüttelte mir das Wasser aus den Haaren, als könnte ich uns beide überzeugen, dass nur der Durst mich reizbar gemacht hatte. Der Narr gab keine Antwort.
Ich schöpfte mit beiden Händen Wasser, trug es zu Nachtauge hinüber, setzte mich neben ihn und ließ es über seine immer noch heraushängende Zunge rieseln. Nach einer Weile regte er sich matt und zog die Zunge zurück ins Maul.
Ich unternahm einen zweiten Versuch, meine Unfreundlichkeit wieder gutzumachen. »Ich weiß, dass du nur versucht hast, mir das Leben zu retten. Danke.«
Er hat unser beider Leben gerettet. Er hat uns erspart, auf eine Weise leben zu müssen, die für uns beide schrecklich gewesen wäre. Die Gedankenstimme des Wolfs war kräftig und sehr bestimmt.
Aber was er getan hat …
War schlimmer, als was du mit mir getan hast?
Was sollte ich antworten? Ich konnte nicht bereuen, dass ich ihm das Leben gerettet hatte. Und doch …
Es war einfacher, mit dem Narren zu sprechen, als diesen Gedanken zu Ende zu denken. »Du hast Nachtauge und mir das Leben gerettet. Ich war – ich war irgendwie in Nachtauges Körper gelangt, durch das Wirken der Gabe, glaube ich.« Eine plötzliche Eingebung ließ mich verstummen. War es das, was Chade gemeint hatte, als er zu mir sagte, die Gabe könne dazu dienen, Wunden und Krankheiten zu heilen? Mich schauderte. Ich hatte mir darunter
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