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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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vorgestellt, dass man dem Kranken von der eigenen Kraft abgab, doch was mit Nachtauge geschehen war … Ich wollte nicht daran denken. »Ich musste versuchen, ihn zu retten. Und ich habe ihm geholfen. Aber dann konnte ich nicht wieder aus ihm herausfinden. Wenn du mich nicht zurückgeholt hättest …« Ich ließ den Satz in der Luft hängen. Mit wenigen Worten ließ sich nicht erklären, vor welchem Schicksal er uns bewahrt hatte. Dafür beschloss ich, ihm von unserem Jahr bei denen mit der Alten Macht zu erzählen. »Gehen wir zurück zum Haus. Ich habe Elfenrinde da, für Tee. Und ich muss mich ebenso dringend ausruhen wie Nachtauge.«
    »Ich auch«, sagte der Narr schwach.
    Ich betrachtete ihn genauer. Sein Gesicht war grau, seine Stirn tief gefurcht. Schuldbewusstsein überfiel mich. Ohne darin geschult zu sein, ohne Hilfe, hatte er von der Gabe Gebrauch gemacht, um mich in meinen eigenen Körper zurückzuholen. Ihm lag die Magie nicht im Blut wie mir, er war nicht mit der Veranlagung geboren. Alles, was ihm zur Verfügung gestanden hatte, waren die verblassten Spuren der Gabe an seinen Fingern, das Memento an seine zufällige Berührung von Veritas’ silbernen Händen. Das und die schwache, durch diese Berührung ermöglichte Verbindung zwischen uns, waren seine einzigen Werkzeuge gewesen, als er sein eigenes Selbst in die Waagschale geworfen hatte, um mich zu retten. Weder Furcht noch Unwissenheit hatten ihn davon abgehalten, es zu versuchen. Dass er das wahre Ausmaß der Gefahr nicht kannte, war seine Tat darum mehr oder weniger heldenhaft? Und was hatte ich getan? Ihm Vorwürfe gemacht.
    Ich erinnerte mich noch gut an das erste Mal, als Veritas meine Kraft angezapft hatte, um seine eigene Gabe zu stärken. Ich war vor Schwäche zusammengebrochen. Der Narr jedoch hielt sich noch auf den Beinen, schwankend zwar, doch er stand aufrecht. Und er klagte mit keinem Wort über den Schmerz, der wie Fanfarenklänge durch seinen Kopf tönen musste. Wieder staunte ich über die Zähigkeit in seinem schmächtigen Körper. Fr spürte meinen Blick, hob den Kopf und schaute mich an. Ich versuchte ein Lächeln. Er beantwortete es mit einer gequälten Grimasse.
    Nachtauge wälzte sich auf den Bauch, stemmte die Vorderläufe gegen den Boden und erhob sich taumelnd. Staksig wie ein neugeborenes Füllen wankte er zum Wasser und trank. Nachdem er seinen Durst gestillt hatte, ging es uns beiden besser, doch immer noch zitterten meine Beine vor Schwäche.
    »Das wird ein langer Weg zurück zur Hütte«, bemerkte ich.
    Die Stimme des Narren klang sachlich und fast, als wäre nichts gewesen. »Wirst du es schaffen?«
    »Mit etwas Hilfe.« Ich streckte die Hand aus und er kam, griff danach und zog mich vom Boden hoch. Untergehakt gingen wir nebeneinander her, aber wenn ich mich recht entsinne, stützte er sich mehr auf mich als ich mich auf ihn. Der Wolf tappte schwerfällig hinter uns drein. Ich biss die Zähne zusammen und beherrschte mich und machte keinen Gebrauch von der Gabenbrücke zwischen uns. Ich konnte der Versuchung widerstehen, sagte ich mir. Veritas hatte es gekonnt. Also auch ich.
    Der Narr durchbrach die sonnenflirrende Stille unter den Bäumen. »Erst dachte ich, es wäre einer dieser Krampfanfälle, unter denen du früher zu leiden hattest. Aber dann hast du dich überhaupt nicht mehr gerührt, einfach dagelegen, mit offenen Augen. Ich konnte keinen Puls fühlen, doch ab und zu hast du gezuckt und nach Luft geschnappt.« Er machte eine Pause. »Ich habe alles Mögliche versucht, um dich zu wecken, aber du warst wie tot. Endlich wusste ich mir nicht mehr anders zu helfen, als dass ich versuche, dir zu folgen.«
    Was er sagte, erschreckte mich. Ich wollte ganz und gar nicht wissen, was mein Körper tat, wenn ich nicht da war, um ihn zu lenken. »Es war vermutlich der einzige Weg, mein Leben zu retten.«
    »Und meins«, sagte er ruhig. »Denn ganz gleich, was es uns beide kostet, ich muss dich am Leben halten. Du bist der Hebel, den ich brauche, Fitz. Und das bedaure ich mehr, als ich es sagen kann.«
    Bei dem letzten Satz schaute er mich an. Der offene goldene Blick heftete sich an das Band zwischen uns, Gold und Silber verquickt. Ich erkannte und leugnete eine Wahrheit, die ich nicht wahrhaben wollte.
    Hinter uns trottete mit hängendem Kopf der Wolf.

Kapitel 8 · Altes Blut
    »… Und ich hoffe, die Hunde erreichen dich mit diesem Schreiben bei guter Gesundheit. Andernfalls mögest du mir einen Botenvogel senden,

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