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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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gern ins Gebirge gehen und mich mit ihnen treffen, vielleicht bei ihnen leben. Der Magus hat es mir freigestellt zu wählen.«
    Die Magd umarmte ihn ein weiteres Mal und teilte seine Freude über die schönen Nachrichten. »Es scheint, als ginge noch ein Traum bald in Erfüllung.« Sie grinste frech. »Jolosin wird Luftsprünge machen, falls du uns verlässt.«
    »Das wäre ein Grund, nicht zu gehen«, erwiderte Tungdil schmunzelnd, bemerkte aber, dass sich ein Schatten über ihr eben noch fröhliches Gesicht legte.
    »Wirst du uns ab und zu mal besuchen und uns von den Zwergen berichten, die im Süden leben?«, wollte sie wissen. Ein Hauch von Schwermut lag in ihren Worten, auch wenn sie sich für ihren besten Freund aus tiefstem Herzen freute.
    »Warte es ab, Frala. Am Ende vermissen sie gar keinen wie mich, und ich bin einfach so aus den Felsen geboren worden«, wiegelte Tungdil ab. »Ich bringe Gorén sein Eigentum wieder, danach sehen wir weiter.«
    Ein kleines Kind schrie in der Ecke der Küche. Frala eilte, um ihre Tochter Ikana aus der Wiege zu holen, die sie neben den warmen Herd gestellt hatte.
    »Schau, das ist dein Pate, kleiner Wurm«, sagte sie zu dem Mädchen. »Er wird später auf dich aufpassen, so wie er lange Jahre auf mich Acht gab.«
    Der Zwerg streckte seinen Zeigefinger aus, den das Menschenkind sogleich ergriff und zu sich zog. Tungdil meinte sogar, ein leises Lachen gehört zu haben.
    »Sie lacht mich aus.«
    »Unsinn. Sie lacht mit dir. Siehst du? Sie mag dich«, erwiderte Frala.
    »Dir und deiner Schwester bringe ich auch etwas mit«, versprach er Ikana und zog seinen schwieligen Finger vorsichtig aus der kleinen zartrosa Hand. Doch nachdem er seine Scheu vor dem zerbrechlich aussehenden Kind überwunden hatte, wollte er gar nicht mehr von ihm lassen. Ikana fasste nach und schnappte sich eine braune Haarsträhne. Mit großer Vorsicht entwand er sie ihr wieder. »Du willst wohl, dass ich bleibe?«
    Gemeinsam gingen sie durch den halbdunklen Stollen bis zum Nordtor. Helles Tageslicht schimmerte durch den Spalt. Die Magd küsste ihn auf die Stirn. »Pass auf dich auf«, verabschiedete sie ihn. »Und komm heil zurück.«
    Ein Famulus betätigte die Seilwinden des Öffnungsmechanismus, und die eisenbeschlagenen Eichenportale schwangen knarrend zurück.
    Die Sonne schien auf die runden, sattgrünen Hügel, die blühenden Blumen und Laubwälder. Der Wind trug den Geruch von warmer Erde in den Tunnel, Vögel sangen ihr Frühlingslied.
    »Hörst du das, Tungdil? Das Geborgene Land meint es gut mit dir«, sagte Frala und atmete die Luft tief ein. »Herrliches Wetter! Du wirst eine schöne Reise haben.«
    Der Zwerg stand im schützenden Schatten des Ganges und zögerte. Er war es gewohnt, eine schützende Decke über dem Kopf und Wände um sich zu haben, die ihm Sicherheit gaben. Da draußen wartete ein wenig zu viel Freiheit auf ihn, an die er sich bei jedem seiner Botengänge für den Magus von neuem gewöhnen musste.
    Doch er wollte vor Frala nicht wie ein feiger Gnom dastehen, also holte er tief Luft, trat an die sonnenbeschienene Oberfläche von Ionandar und marschierte los.
    »Bis bald, Tungdil!«, rief die Magd ihm hinterher. Er drehte sich um und winkte ihr, bis sich der Zugang zu Lot-Ionans unterirdischer Behausung schloss; dann setzte er seinen Marsch fort. Allerdings kam er nicht sonderlich weit. Völlig geblendet kniff er schon nach wenigen Schritten die Lider zusammen. Die Zeit unter der Erde, abseits von den Strahlen des mächtigen Gestirnes, hatte ihn derart empfindlich werden lassen, dass er im Schatten einer mächtigen Eiche Schutz vor der Helligkeit suchte. Die Säcke mit dem Proviant und den Artefakten landeten neben ihm im Gras.
    Das kann eine nette Reise werden, dachte er. Er hockte sich auf den Boden und blinzelte, um einen ungefähren Eindruck von der Umgebung zu bekommen. Das Blätterdach schützte ihn kaum vor dem unbarmherzigen Licht.
    Tungdil erinnerte sich, dass es ihm jedes Mal so erging, wenn er einen Fuß nach draußen setzte. Aber wenigstens eigneten sich die liebliche Landschaft und der grob angelegte Weg gut zum zügigen Laufen.
    Er nahm die Karte zur Hand, um sie genauer zu studieren, und hielt sie so über sich, dass sie ihm Schatten spendete. Wenn der Kartenzeichner sich nicht irrte, würde sich die Landschaft in der Nähe des Schwarzjochs verändern. Die Erhebung war von einem dichten Tannenwald umgeben, durch den offenbar kein Pfad führte.
    Auch nicht schlimm.

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