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Die Zwillingsschwestern

Die Zwillingsschwestern

Titel: Die Zwillingsschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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einer Platzwunde über meiner rechten Augenbraue lief Blut an der Seite
meines Gesichts hinab und verschwand im Hemdkragen. Mitten auf der Stirn
prangte eine Riesenbeule, die sich zusehends verfärbte. Eine hübsche
Hautabschürfung zierte mein Kinn, und das Fleisch sah an dieser Stelle rot und
wund aus.
    Ich sah
weg, bevor mir jeder Mut sank, und nahm dankbar das Glas entgegen, das Charlie
mir reichte. Der Schnaps tat gut. Ich zündete eine Zigarette an, nachdem ich
das Glas geleert hatte, und fragte Charlie, was geschehen war.
    »Ich
kündige«, sagte er, ohne zu zögern. »Zweimal in einer Woche, Leutnant, das ist
zuviel!«
    »Ja«,
stimmte ich ihm zu. »Aber was ist passiert?«
    »Dasselbe
wie das letztemal«, sagte er verbittert. »Es klopft an der Tür, aber niemand
kommt rein — ich gehe also hinaus und sehe nach. Ich stecke meinen Kopf zur Tür
hinaus und — peng!«
    »Sie
haben recht, Charlie«, sagte ich. »Kündigen Sie, bevor es zur Gewohnheit wird.«
    »Was
ist Ihnen passiert?« fragte er, und ich erzählte ihm von dem Telefonanruf, wie
ich ergebnislos das Leichenhaus anzurufen versucht hatte und dann gekommen war,
um selber nach dem Rechten zu sehen.
    Charlie
schien jedoch keineswegs über meine tapfere Ein-Mann-Rettungsaktion erfreut zu
sein. »Wenn Sie ein normal er Kriminalbeamter wären«, sagte er, »hätten Sie
drei Überfallwagen mitgebracht und den Laden umstellen lassen. Dann hätten Sie
den Kerl erwischt.«
    »Sie
brauchen mich nicht daran zu erinnern«, sagte ich. »An solche Sachen denke ich
immer erst hinterher.«
    »Denken
Sie doch an Sherlock Holmes«, sagte Charlie mürrisch. »Selbst ein Mann wie er
hatte immer Doktor Watson bei sich.«
    »Wie
recht Sie haben, Charlie!« sagte ich. »Aber jetzt halten Sie die Klappe, sonst
scheure ich Ihnen eine.«
    »Sollten
Sie diesen Vorfall hier nicht melden?« fragte er eisig. »Oder kümmert sich kein
Mensch darum, wenn ich dauernd niedergeschlagen werde?«
    »Mir
ist es zwar egal«, sagte ich. »Aber vielleicht gibt es jemanden, den es
interessiert. Schauen Sie lieber zuerst einmal nach, ob irgend etwas fehlt.«
    »Na
ja«, sagte er widerwillig.
    Ich sah
ihm zu, wie er jedes Fach öffnete und wieder zuschob. Als er mir kurz den
Rücken zuwandte, goß ich verstohlen einige Zentimeter Schnaps in mein Glas.
Schließlich kam er zurück und schüttelte den Kopf. »Es fehlt nichts, Leutnant«,
sagte er. »Ich verstehe das nicht.«
    »Ich
schon«, antwortete ich betont selbstzufrieden. »Wheeler der Retter! Ich kam so
schnell her, daß er keine Zeit für das fand, was er zu tun beabsichtigte. Ich
habe ihn verscheucht.«
    Charlie
blickte mein zerschundenes Gesicht verdrießlich an. »Ich bin nur froh, daß Sie
ihm nicht wirklich Angst eingejagt haben, Al«, sagte er. »Sonst hätte er sie
kaltgemacht.«
    »Na ja«,
sagte ich bescheiden. »Ich habe ihn jedenfalls aufgehalten.«
    »Ich
weiß nicht...« Plötzlich brach er ab und blickte mißtrauisch auf mein Glas.
»Mir schien, sie hätten ihr Glas schon vorhin ausgetrunken gehabt.«
    »Glauben
Sie«, fragte ich kühl.
    Er
packte die Rye-Flasche und hielt sie gegen das Licht. »Sie lausiger Strolch«,
schnaubte er wütend. »Sie haben sich frisch eingeschenkt, als ich Ihnen den
Rücken zukehrte!«
    »Woher
wissen Sie das?« fragte ich interessiert.
    »Jedesmal
wenn ich aus der Flasche trinke, zeichne ich den Stand mit einem
Bleistiftstrich an«, erklärte er. »Wofür halten Sie mich eigentlich — für einen
Millionär oder was sonst? Ich kann mir nicht leisten, Ihre Trunksucht zu
finanzieren!«
    »Seien
Sie doch kein Frosch, Charlie!« sagte ich. »Vergessen Sie nicht, ich habe Ihnen
wahrscheinlich das Leben gerettet. Wenn ich den Kerl nicht gestört hätte, so
daß er flüchten mußte, würde er vielleicht...«
    »Wann
bekamen Sie den Anruf?« unterbrach er mich jäh. »Um neun?«
    »Ja, neun
Uhr. Wie ich schon sagte, Charlie, es war...«
    »Sie
haben ihn nicht gestört«, sagte Charlie verächtlich. »Ich habe auf die Uhr
gesehen. Es war halb neun, als er an die Tür klopfte. Sie können kaum schneller
als in einer halben Stunde hiergewesen sein. Er hatte also eine
Dreiviertelstunde Zeit, um zu tun, was er vorhatte.«
    »Vielleicht
sollten wir besser noch einmal die Fächer nachsehen, Charlie«, sagte ich
bescheiden.
    »Ich
habe sie durchgesehen«, antwortete er kühl. »Es fehlt nichts.«
    »Wie
viele Kunden haben Sie zur Zeit hier liegen?«
    »Fünf«,
sagte er. »War eine ereignisreiche

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