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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Debakels in Texas und der Dringlichkeit, seine großen Pläne endlich zum Abschluss zu bringen, dachte er nicht allzu lange nach. Er näherte sich der Grenzlinie, warf einen kurzen Blick darauf und trat darüber hinweg.
    » Mir scheint«, sagte Direktor Horace Guilder, » der Augenblick ist gekommen, dieses Ding zu verkaufen.«
    Guilder wartete ein paar Minuten, nachdem Wilkes gegangen war, um seine Abreise zu inszenieren. Wie er sich viele Male selbst eingeschärft hatte, beruhte seine Autorität zu einem großen Teil auf der Würde und Zielstrebigkeit, die seine öffentlichen Auftritte vermittelten. Daher war es besser, wenn die Leute ihn nicht in einem so erregten Zustand erlebten. Er nahm den Schlüsselbund von seinem Schreibtisch und ging hinaus. Seltsam, wie schnell der Hunger ihn überkommen hatte. Normalerweise schlich er sich im Laufe von Tagen heran, nicht innerhalb weniger Minuten. Vom Sockel der Kuppel führte eine gewundene Treppe ins Erdgeschoss hinunter, flankiert von den Ölporträts diverser Herzöge, Generäle, Barone und Fürsten des Reiches, einer Parade von missbilligend blickenden Gesichtern mit markanten Kiefern in historischen Kostümen. (Wenigstens hatte er noch nicht zu dem Mittel gegriffen, sich malen zu lassen. Obwohl, wenn er es sich überlegte– warum eigentlich nicht?) Er spähte über das Geländer. Fünfzehn Meter tief unter ihm huschten die winzigen Gestalten der uniformierten Sicherheitsleute und die Mitglieder der Führungsebene hin und her mit ihren wichtigtuerischen Aktenkoffern und Clipboards, und sogar zwei Dienstmädchen schwebten in ihren nonnenhaften Kostümen über den blanken Boden wie zwei Papierschiffchen. Aber er suchte Wilkes, und da war er auch. Am wuchtigen Eingangsportal mit seinen Intarsien und Schnitzereien, die diverse Motive aus dem Prärie-Kitsch-Fundus darstellten (eine Faust mit einer Weizengarbe, eine Pflugschar, die sich fröhlich in den Mutterboden von Iowa grub), stand sein loyaler Stabschef im Gespräch mit zwei Männern aus der Führung, den Ministern Hoppel und Chee. Guilder nahm an, dass Wilkes schon dabei war, die Tagesbefehle zu verteilen und die Leute auf Trab zu bringen, doch diese Annahme erwies sich als falsch, denn Hoppel warf den Kopf in den Nacken, klatschte in die Hände und stieß ein kläffendes Gelächter aus, das in der marmorverkleideten Halle hin und her schwirrte wie eine Gewehrkugel in einem U-Boot. Guilder fragte sich, was da so verdammt komisch war.
    Er wandte sich vom Geländer ab und begab sich zu der zweiten Treppe, die vor allen Blicken geschützt war und die er allein benutzte. Das Grollen in seinen Eingeweiden war inzwischen zu einem Brüllen geworden. Er hatte große Mühe, nicht drei Stufen auf einmal zu nehmen. In seinem derzeitigen Zustand wäre das Resultat wahrscheinlich ein Sturz gewesen, bei dem er sich mehrere Knochen gebrochen hätte, was natürlich innerhalb von wenigen Stunden verheilen, aber trotzdem höllisch wehtun würde. In der Haltung eines Kristallkelchs, der seinen Inhalt jeden Augenblick auf den Boden vergießen konnte, nahm Guilder vorsichtig eine Stufe nach der anderen. Der Speichelfluss hatte eingesetzt, ein regelrechter Wasserfall, den er immer wieder zwischen den Zähnen einsaugen musste. Lätzchen für Vampire, dachte er sarkastisch– damit ließe sich Geld machen!
    Endlich erreichte er den Keller mit der schweren, tresorartigen Tür. Guilder nahm die Schlüssel aus seiner Jacketttasche. Seine Hände zitterten erwartungsvoll, als er den Schlüssel ins Schloss schob, das schwere Rad drehte und die Tür mit der Schulter aufdrückte.
    Als er den Korridor halb hinter sich hatte, war er schon nackt bis zur Taille und streifte die Schuhe von den Füßen. Er war jetzt in voller Fahrt, ein Surfer, der auf einer Welle entlanggischtet. Tür um Tür rauschte vorbei. Guilder hörte die gedämpften Schreie der Verdammten dahinter, ein Geräusch, das längst aufgehört hatte, auch nur eine Spur von Mitleid in ihm zu wecken, falls es das jemals getan hatte. Er flog an den Warntafeln vorbei– ÄTHER IM EINSATZ ! KEIN OFFENES FEUER !–, erreichte die Gefrierkammer in vollem Lauf, bog um die letzte Ecke und vermied mit knapper Not einen Zusammenstoß mit einem Techniker im Laborkittel. » Direktor Guilder!«, japste der Mann. » Wir wussten nicht…« Aber die Worte blieben ihm im Hals stecken, als Guilder ihm gewalttätiger als nötig den linken Unterarm mit voller Kraft an den Kopf schlug, sodass er krachend

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