Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
von uns dir sagt, du sollst etwas tun, dann tust du es.«
Der andere blies jetzt ungeduldig die Wangen auf. » Was ist denn heute los mit dir? Die juckt uns doch nicht. Können wir bitte einfach weitergehen?«
» Erst wenn ich hier fertig bin.« Er wandte sich wieder Sara zu. » Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Ihr Blut floss wie Eiswasser durch ihre Adern. Sie musste ihre ganze Willenskraft aufwenden, um nicht wegzuschauen. Diese dämonischen Augen. Diese hämisch gekräuselten Lippen eines Schulhoftyrannen. » Ja, Sir«, stammelte sie. » Absolut.«
» Sag mir. Was tust du?«
» Was ich tue?«
Ein aufflackerndes Lächeln wie bei einer Katze, die eine Maus in den Pfoten hält. » Ja. Was du tust. Was dein Job ist.«
Sie hob unterwürfig die Schultern. » Ich mache nur sauber, Sir.« Als er nicht antwortete, fügte sie hinzu: » Ich werde hier Dienstmädchen.«
Das Rotauge musterte sie noch einen Moment lang, als müsse es entscheiden, ob diese Antwort zufriedenstellend war oder nicht. » Na, ich will dir einen Rat geben, Flachländerin. Wenn du durch diese Tür gehst, solltest du dich vorsehen. Ruck, zuck– und es ist vorbei.«
» Das werde ich tun, Sir. Danke, Sir.«
» Und jetzt geh an deine verdammte Arbeit.«
Sara wartete, bis die beiden die Treppe ganz hinuntergegangen waren, bevor sie ihren angespannten Körper wieder lockerte. Verflixt, dachte sie. Um Himmels willen, jetzt nimm dich zusammen. Du betrittst hier ein Gebäude, das voll von denen ist.
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und öffnete die Tür.
Sofort war sie überwältigt von einem Gefühl der Weite, und die senkrechte Endlosigkeit des Raumes verzerrte ihren Sinn für Dimensionen. Noch nie hatte sie einen solchen Ort gesehen: den blanken Marmorboden, die Galerien, die wuchtige, weit geschwungene Treppe. Hoch oben schwebte die Decke. Gedämpfte Sonnenstrahlen fielen durch die Vorhänge der oberen Fenster und erfüllten den Raum mit ihrem Dämmerlicht. Alles war laut und leise zugleich; die winzigsten Geräusche hallten lange nach, bevor die Weite sie verschluckte. Ringsum an den Rändern waren Kols postiert, und sie standen auch in regelmäßigen Abständen auf der Treppe. Arbeiter unterschiedlicher Art schlurften durch die Halle und warteten in Zehnerreihen vor einem Abfertigungstisch in der Mitte. Sie stellte sich hinter einem Mann auf, der einen Sack Werkzeug auf dem Rücken trug. Der Drang, an ihm vorbeizuspähen, um zu sehen, was sie erwartete, war stark, aber sie durfte ihm nicht nachgeben. Pass für Pass wurde abgestempelt, und langsam rückte die Schlange vor. Sara war die Fünfte, dann die Dritte, dann Nummer zwei. Der Mann mit dem Werkzeugbeutel ging zur Seite und gab den Blick frei.
Hinter dem Tisch saß Vale.
Adrenalin schoss ihr ins Herz. Sie konnte sich nicht bewegen, konnte nicht atmen. Alles war aus, bevor es angefangen hatte. Ihre Befehle waren klar: Sie durfte nicht lebend gefasst werden. Nina hatte kein Detail ausgelassen, als sie ihr geschildert hatte, was die Rotaugen mit ihr anstellen würden. Es wird anders sein als alles, was du je erlebt hast. Du wirst sie anflehen, dich zu töten. Du darfst nicht zögern. Was konnte sie jetzt tun? Sollte sie einfach losrennen und hoffen, dass sie sie erschossen?
» Ist alles in Ordnung, Miss?«
Vale schaute sie erwartungsvoll an und streckte die Hand nach ihrem Pass aus.
» Wie bitte?«
» Ob… alles… in Ordnung ist.«
Sie fühlte sich, als habe man sie vom Rand eines Abgrunds zurückgerissen, und verwirrt suchte sie nach der richtigen Antwort. » Ich bin nur ein bisschen nervös.«
Wenn Vale überrascht war, sie zu sehen, ließ er es sich nicht anmerken. Er war einfach ein besserer Schauspieler als sie. Sara kannte ihn seit Jahren, und sie hatte nie etwas gemerkt.
» Die Kuppel kann ziemlich überwältigend wirken, wenn man sie das erste Mal sieht. Sie müssen das neue Mädchen sein, Dani. Ist das korrekt?«
Sie nickte. Dani, so hieß sie jetzt. Nicht Sara.
» Zeigen Sie mir Ihre Marke, bitte.«
Sie schob den Ärmel hoch und streckte den Arm aus. Mit Hilfe eines Insiders in der Registratur hatte Eustace dafür gesorgt, dass Saras Nummer ihrer neuen, fiktiven Identität zugeordnet wurde. Vale verglich sie umständlich mit seinen Unterlagen.
» Anscheinend sollen Sie sich beim Stellvertretenden Direktor Wilkes melden.« Er winkte einen anderen Kol heran, damit der seinen Platz am Tisch einnahm. » Kommen Sie mit.«
Sara kannte den Namen nicht, aber ein
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