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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Schatz!«
    Sie sank in die Hocke, und ein kleines Mädchen in einem schlichten weißen Kleid und mit hüpfenden blonden Ringellocken lief an Sara vorbei in ihre ausgebreiteten Arme.
    » Mein Engel! Mein süßes kleines Mädchen!«
    Das Kind hielt ein bunt bemaltes Blatt Papier in der Hand und zeigte auf Lilas Turban. » Hast du gebadet, Mummy?«
    » Aber ja! Du weißt doch, wie gern Mummy badet. Was für ein kluges Kind du bist! Aber sag doch«, fuhr sie fort, » wie war der Unterricht? Hat Jenny dir vorgelesen?«
    » Wir haben ›Peter Hase‹ gelesen.«
    » Wie wundervoll!« Die Frau strahlte. » War es lustig? Hat es dir gefallen? Ich habe dir bestimmt schon erzählt, wie vernarrt ich in ihn war, als ich in deinem Alter war.« Sie sah das Blatt Papier an. » Und was haben wir da?«
    Das kleine Mädchen hielt das Blatt hoch. » Ein Bild.«
    Lila betrachtete es einen Moment lang. » Bin ich das? Ist das ein Bild von uns beiden?«
    » Das sind Vögel. Der eine heißt Martha, der andere Bill. Sie bauen gerade ein Nest.«
    Leise Enttäuschung flackerte in ihrem Blick, dann lächelte sie wieder. » Ja, natürlich, stimmt. Das sieht doch jeder. So offensichtlich wie das Näschen in deinem hübschen kleinen Gesicht.«
    Und so ging es immer weiter. Sara nahm kaum etwas davon auf. Ein intensives neues Gefühl war über sie gekommen, eine Art biologischer Alarm, tiefgründig und urzeitlich, einer Flut ähnlich in Gewicht und Umfang, begleitet von einer tunnelartigen Verengung ihrer Wahrnehmung, die sich auf den Blondkopf des kleinen Mädchens beschränkte. Diese Locken. Diese Gestalt. Schon wusste sie es, ohne es zu wissen, und auch das wusste sie.
    » Aber wie grässlich von mir«, sagte die Frau, Lila, jetzt, und ihre Stimme war unfassbar weit entfernt von der Wirklichkeit, als käme sie von einem anderen Planeten. » Ich habe meine Manieren völlig vergessen. Eva, ich muss dich mit jemandem bekannt machen. Das hier ist unsere neue Freundin…« Ratlos stockte sie.
    » Dani«, brachte Sara hervor.
    » Unsere wunderbare neue Freundin Dani. Eva, sag guten Tag.«
    Das Mädchen drehte sich um. Die Zeit stand für einen Moment still, als Sara ihr Gesicht sah: eine einzigartige Zusammensetzung von Formen und Zügen, die es im ganzen Universum kein zweites Mal gab. Sara hatte nicht den geringsten Zweifel.
    Das Kind schenkte ihr ein strahlendes Lächeln mit geschlossenem Mund. » Guten Tag, Dani.«
    Sara schaute ihre Tochter an.
    Aber in der nächsten Sekunde veränderte sich etwas. Ein Schatten fiel herein, eine dunkle Erscheinung senkte sich herab und riss Sara in die Welt zurück.
    » Lila.«
    Sara drehte sich um. Er stand hinter ihr. Sein Gesicht war das eines Mannes, alltäglich, unauffällig wie eins von tausend, aber es strahlte eine unsichtbare, drohende Kraft aus, unwiderlegbar wie die Schwerkraft.
    Er schaute Sara verachtungsvoll in die Augen, und sein Blick durchbohrte sie restlos. » Weißt du, wer ich bin?«
    Sara schluckte. Ihre Kehle war eng wie ein Schilfrohr. Zum ersten Mal durchzuckte sie der Gedanke an das Folienpäckchen, das tief in den Falten ihres Gewandes versteckt war. Es sollte nicht das letzte Mal sein.
    » Jawohl, Sir. Sie sind Direktor Guilder.«
    Seine Mundwinkel krümmten sich angeekelt herunter. » Lass deinen Schleier herunter, Herrgott. Mir wird schlecht, wenn ich dich nur ansehen muss.«
    Mit zitternden Fingern tat sie, was er verlangte. Der Schatten verwandelte sich in einen echten Schatten; seine Züge verschwammen barmherzig hinter dem zarten Schleiergewebe wie in einem Nebel. Guilder ging an ihr vorbei zu Lila, die immer noch vor Saras Tochter kniete. Wenn seine Anwesenheit dem kleinen Mädchen etwas bedeutete, war es ihr nicht anzusehen, aber bei Lila war es anders. Jede Faser ihres Körpers spannte sich spürbar an. Sie hielt das Kind vor sich umklammert wie einen Schild und stand auf.
    » David…«
    » Hör einfach auf damit.« Sein Blick huschte verärgert über sie hinweg. » Du siehst grässlich aus, weißt du das?« Er drehte sich zu Sara um. » Wo ist es?«
    Er meinte das Tablett, begriff sie.
    » Bring es her.«
    Ihre Hände schafften es irgendwie.
    » Sie sollen verschwinden«, sagte Guilder zu Lila.
    » Eva, Schätzchen, warum gehst du nicht mit Dani nach draußen?« Sie warf Sara einen beschwörenden Blick zu. » Es ist so schön heute. Ein bisschen frische Luft– was meinst du?«
    » Ich will, dass du mitgehst«, protestierte das Mädchen. » Du gehst nie nach

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