Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
Vom Netzwerk:
sich: ein Paar alte Revolver, die sie nur im letzten Notfall benutzen würden, und zwei Klingen, achtzehn Zentimeter lang und mit gebogenen Stahlgriffen. Die letzten Leute wurden an ihre Plätze geführt. Greer staunte über die Ordnung, die dumpfe Unterwürfigkeit, mit der sie sich leiten ließen. Sie waren Sklaven und wussten es nicht, oder sie wussten es, hatten sich aber schon lange damit abgefunden. Alle? Vielleicht nicht alle. Die, die es nicht getan hatten, wären der entscheidende Faktor.
    » Möchtest du mit mir beten?«, fragte Greer.
    Lore sah ihn skeptisch an. » Ist ’ne Weile her. Ich weiß nicht, ob ich es noch kann.«
    Sie knieten einander gegenüber. » Nimm meine Hände«, sagte Greer. » Und schließ die Augen.«
    » Das ist alles?«
    » Versuche, an nichts zu denken. Stell dir ein leeres Zimmer vor. Nicht mal ein Zimmer. Gar nichts.«
    Mit leiser Verlegenheit nahm sie seine Hände. Ihre Handflächen waren schweißfeucht.
    » Irgendwie hatte ich gedacht, du würdest jetzt was sagen, wie es die Schwestern tun. Heiliger dies, und Gott segne das.«
    Er schüttelte den Kopf. » Diesmal nicht.«
    Greer wartete, bis sie die Augen geschlossen hatte, und tat es dann auch. Der Augenblick des Eintauchens: Er fühlte, wie Wärme sich ausbreitete. Gleich darauf verstreute sein Geist sich in einer unermesslichen Energie jenseits allen Denkens. O mein Gott, betete er, sei bei uns. Sei bei Amy.
    Aber etwas stimmte nicht. Greer empfand Schmerz. Furchtbaren Schmerz. Dann war der Schmerz fort, verschwunden in der Dunkelheit, die über sein Bewusstsein hinwegrollte wie ein Schatten über ein Feld. Eine Sonnenfinsternis des Todes, des Grauens, des dunklen Bösen.
    Ich bin Morrison-Chavez-Baffes-Turrell-Winston-Sosa-Echols-Lambright-Martínez-Reinhardt …
    Er schrak zurück. Der Bann war gebrochen, er war wieder in der Welt. Was hatte er gesehen? Die Zwölf, ja, aber wen noch? Wessen Schmerz hatte er gefühlt? Lore, die immer noch mit ausgestreckten Händen kniete, hatte es auch gespürt: Greer sah es ihrem schockierten Gesicht an.
    » Wer ist Wolgast?«, fragte sie.
    Lilas Füße schienen kaum den Boden zu berühren, als sie durch den Korridor zur Rotunde ging. Ihr Handeln war von einem Gefühl der Unbesiegbarkeit durchdrungen. Wenn gewisse Entscheidungen einmal gefallen waren, konnte man sie nicht mehr zurücknehmen. Die Treppe, zu der sie wollte, lag am Ende eines langen Korridors auf der anderen Seite des Gebäudes. Ein Schlüssel war nötig, aber Lila hatte schon einen Plan. Als sie um die Ecke gekommen war, fing sie an zu laufen, und sie rannte auf die Tür zu, als würde sie verfolgt. Der stämmige Wachmann erhob sich von seinem Stuhl und versperrte ihr den Weg.
    » Niemand darf hier durch.«
    » Bitte«, keuchte sie, » ich verhungere. Alle sind weg.«
    » Du musst hier verschwinden.«
    Lila hob den Schleier. » Wissen Sie, wer ich bin?«
    Der Mann wurde blass. » Verzeihung, Ma’am«, stammelte er. » Selbstverständlich.«
    Er nahm den Schlüssel, der an einem elastischen Band an seinem Gürtel hing, und schob ihn in das Schloss.
    » Danke«, sagte Lila und tat höchst erleichtert. » Sie schickt mir der Himmel.«
    Sie lief die Treppe hinunter. Unten blieb sie vor dem zweiten Wärter stehen, der die Stahltür vor der Blutverarbeitungsanlage bewachte. Sie war seit vielen Jahren nicht mehr hier unten gewesen, aber sie erinnerte sich noch genau an all das Grauen: die Körper auf den Tischen, die riesigen Kühlschränke, die Blutbeutel, der Geruch des Gases, mit dem man die Subjekte im ewigen Zwielicht hielt. Der Wärter beobachtete sie, und seine Hand lag auf dem Kolben seiner Pistole. Lila hatte noch nie im Leben geschossen. Hoffentlich war es nicht schwer.
    Mit selbstbewussten Schritten kam sie auf ihn zu, und im letzten Moment hob sie den Kopf und sah ihm tief in die Augen.
    » Du bist müde«, sagte sie.
    Versteckt hinter der Spielerbank an der Nordseite des Stadions ließ Alicia das Magazin aus ihrer halbautomatischen Pistole fallen, untersuchte es grundlos, blies ein wenig imaginären Staub weg und schob es mit dem Handballen zurück in den Griff. Zehn Mal hatte sie das Magazin jetzt herausgenommen und wieder eingesetzt. Die Waffe war eine .45er ACP von Smith & Wesson mit einem schraffierten, blank verschlissenen Holzgriff, eine gut fünf Pfund schwere Kanone mit zwölf Patronen in jedem Magazin. Zwölf, dachte Alicia, und die Ironie daran entging ihr nicht. Seltsam, aber nicht unangenehm, wie das

Weitere Kostenlose Bücher