Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
einzigen, eine Trance der reinen Lust!
Ein donnerndes Dröhnen brach den Bann. Seine Finger steckten in seinem Mund, und sein Gesicht war blutverschmiert. Was zum Teufel tat er hier? Und was war das für ein Lärm, dieses Krachen?
» Lawrence! Kommen Sie, schnell!«
Wieder ein Donner, lauter als beim ersten Mal. Hastig kletterte er wieder die Leiter hinauf. Irgendetwas stimmte mit dem Himmel nicht. Alles leuchtete in einem feurigen Glanz. Lila stand immer noch unten vor dem Panzer.
Sie sah sein Gesicht und fing an zu schreien.
Zwei Düsenjäger donnerten im Tiefflug vorbei und zerrissen die Luft mit ihrer Geschwindigkeit. Ein wütender weißer Schein überstrahlte den Himmel, und eine Wand aus heißer Luft prallte gegen Grey und schleuderte ihn von dem Panzer herunter. Er landete mit dem Gesicht zuerst, und der Aufschlag nahm ihm den Atem. Noch mehr Flugzeuge schossen vorbei, der Himmel im Osten blitzte hell.
Lila wich vor ihm zurück und hatte die Hände schützend vor das Gesicht gerissen. » Gehen Sie weg von mir!«
Für Erklärungen war keine Zeit, und was hätte er auch sagen sollen? Es war klar, was hier passierte: Sie waren in den Krieg hineingegondelt. Grey packte sie beim Arm und wollte sie zum Wagen ziehen. Sie trat kreischend um sich und wand sich in seinem Griff. Irgendwie gelang es ihm, die Beifahrertür aufzureißen und sie hineinzuschieben, aber sofort erkannte er seinen Fehler: Kaum hatte er die Tür zugeschlagen, drückte Lila auf die Verriegelung.
Er hämmerte an die Scheibe. » Lila, lassen Sie mich rein!«
» Gehen Sie weg, gehen Sie weg!«
Er brauchte etwas Schweres. Sein Blick suchte den Boden ab, aber da war nichts. Gleich würde Lila begreifen, was sie tun musste: Sie würde ans Steuer hinüberrutschen und wegfahren.
Das durfte er nicht zulassen.
Grey stellte sich vor das Fahrerfenster, bog sich zurück, ballte die Hand zur Faust und stieß sie durch die Scheibe. Er hatte erwartet, auf eine Wand aus Schmerz zu treffen, die sämtliche Knochen in seiner Hand zerschmetterte, aber das geschah nicht; seine Hand fuhr durch das Glas, als wäre es nicht da, und das Fenster explodierte in einer Kaskade aus funkelnden Glassplittern. Bevor Lila reagieren konnte, öffnete er die Tür, schob sich auf den Fahrersitz und stieß den Schalthebel in den Rückwärtsgang. Er riss den Wagen um 180Grad herum und trat das Gaspedal durch. Doch für eine Flucht war es zu spät; plötzlich waren sie mitten im Geschehen. Immer neue Flugzeuge rasten vorüber, eine Feuerwand loderte vor ihnen auf. Grey riss das Lenkrad nach rechts, und im nächsten Augenblick rumpelten sie schon durch die Furchen eines Maisfelds. Die Räder mahlten wild in der weichen Erde, und schwere grüne Blätter klatschten gegen die Windschutzscheibe. Sie schossen aus dem Feld hervor, doch Grey sah den Graben zu spät. Der Volvo flog wie eine Rakete hinunter und wieder hinauf, die Räder verließen den Boden und krachten dann wieder herunter. Lila schrie, schrie-schrie-schrie, und dann hatte Grey sie gefunden– eine Straße. Er zog das Lenkrad herum und trat das Gaspedal durch. Sie jagten parallel zu dem Graben die Straße entlang. Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden, und tintenschwarze Dunkelheit legte sich über die Felder, während der Himmel im Feuer explodierte.
Aber nicht nur Feuer: Plötzlich flutete gleißendes Scheinwerferlicht über den Wagen.
» Halten Sie sofort an.«
Die Frontscheibe füllte sich mit einer riesigen dunklen Form. Ein ungeheurer schwarzer Vogel schien vor ihnen zu landen. Grey trat auf die Bremse, und beide wurden nach vorn geschleudert. Als der Hubschrauber auf der Straße aufsetzte, hörte Grey das Klirren von Glas, und etwas fiel ihm auf den Schoß: ein Kanister, so groß und so schwer wie eine Suppenkonserve, der ein zischendes Geräusch von sich gab.
» Lila, laufen Sie weg!«
Er stieß die Tür auf, aber das Neurotoxin war schon in ihm, in seinem Kopf, seinem Herzen, seiner Lunge, und er schaffte nur drei Schritte, bevor er zusammenbrach. Der Boden stieg ihm entgegen wie eine anschwellende Brandungswelle. Die Zeit geriet aus den Fugen, die Welt war wässrig und weit entfernt. Ein mächtiger Wind wehte über sein Gesicht. Am Rande seines Blickfelds sah er Männer in Raumanzügen, die schwerfällig auf ihn zukamen. Zwei schleppten Lila zum Hubschrauber. Sie hing mit dem Gesicht nach unten schlaff zwischen ihnen, und ihre Füße schleiften über den Boden. » Tut ihr nichts!«, sagte Grey.
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