Die Zwölf Türme (German Edition)
gab Charles einen gefüllten Weinschlauch, einen Beutel Dörrfleisch und etwas Brot als Wegzehrung mit, wobei er ihn mit den besten Wünschen bedachte. Draußen führte man ihm ein Pferd vor, auf dem er reiten sollte. Charles war froh, dass er daheim längere Zeit aktiv Reitsport betrieben hatte und ein ganz passabler Reiter war, sonst hätte er jetzt wohl einige Schwierigkeiten gehabt. Als er im Sattel saß, gab der Eskortenführer seinen Männern ein Handzeichen, worauf sich die elfköpfige Reiterschar in Bewegung setzte. Sie trabten durch die engen Straßen zum Stadttor und dann aus der Stadt hinaus. Draußen fielen sie in Galopp, denn es war Eile geboten, da die Zeit der Finsternis kurz bevorstehen musste.
Als sie den Barion-Fluss erreichten, führte Krysander seine kleine Truppe zu einem Fährhaus am Ufer, wo ein großes Fährboot vertäut im seichten Wasser lag. Der Fährmann, ein vierschrötiger, kräftiger Mann, kam aus der Hütte, als er den Hufschlag hörte und schaute ihnen abwartend entgegen.
Krysander parierte sein Pferd direkt vor ihm.
"Wir sind Reiter des Königs und müssen schnellstens über den Fluss."
"Alle auf einmal?" fragte der Mann und kratzte sich am Kopf, "Damit werdet Ihr mein Boot überladen."
"Dann setzt uns in zwei Fuhren über", meinte Krysander und bestimmte fünf seiner Männer, die mit der ersten Fuhre übersetzen sollten.
Die Fünf stiegen aus den Sätteln, führten ihre Pferde auf das Boot, welches sogleich ablegte und dem anderen Ufer zustrebte. Kurz darauf setzte es die fünf Männer und ihre Reittiere dort ab und kam zurück, um den Rest der kleinen Truppe zu holen. Als dann auch die zweite Fuhre unterwegs war und sich in der Flussmitte befand, bekam Charles zum ersten Mal etwas von der Macht des Dämonenlords zu spüren.
Plötzlich fiel ein gewaltiger Schatten auf das Boot und ließ sie erschrocken nach oben blicken. Einige Schreckensrufe erklangen, als sie der riesigen geflügelten Kreatur über ihren Köpfen ansichtig wurden.
"Rudert schneller, Fährmann!" brüllte Krysander, "Wir müssen das Ufer erreichen, bevor er uns angreift !"
"Was ist das für ein Ding?" fragte Charles, der fasziniert auf das Furcht erregende Geschöpf starrte, das einer riesigen Schlange mit Krokodilsbeinen und gewaltigen Fledermausflügeln ähnelte. Der Schlangenkörper war dick wie einen Eichenstamm und mindestens fünfzehn Meter lang, die Spannweite der Fledermausflügel betrug nahezu zwanzig Meter. Charles musste unwillkürlich an die Drachen aus den alten Märchen seiner Welt denken, die er sich als Kind fast genauso vorgestellt hatte.
"Das ist ein Grodnim !" rief Krysander, "Eines von den verfluchten Geschöpfen des Dämonenlords. Er hat es geschickt, um Euch zu töten, denn er weiß, dass Ihr hier seid."
"Es sieht aus wie ein Drache", meinte Charles.
"Nein", widersprach Krysander, "Grodnims sind nur eine perverse Nachahmung der Drachen, denn schwarze Magie könnte niemals so vollkommene Geschöpfe wie Drachen erschaffen. Das Biest da oben ist bösartig und mordgierig."
Charles zog sein Schwert, denn er rechnete damit, dass der Grodnim jederzeit auf sie herabstoßen konnte. Zwei von Krysanders Männern nahmen ihre Reiterbögen und begann mit Pfeilen auf das Untier zu schießen. Doch der mächtige Flügelschlag des fast auf der Stelle schwebenden Ungeheuers wühlte das Wasser auf und ließ das Fährboot heftig schaukeln, so dass ein gezielter Bogenschuss schier unmöglich war. Zu allem Überfluss gerieten jetzt auch noch die Pferde in Panik; stampfend und schrill wiehernd versuchten sie sich aufzubäumen und keilten in ihrer Todesangst mit den Hufen aus.
Auch die anderen Männer am Ufer schossen jetzt Pfeile auf die Bestie ab, die jedoch wirkungslos in der Schuppenhaut des Schlangenleibes stecken blieben, ohne das fliegende Monster im Geringsten zu beeindrucken.
Jetzt drehte der Grodnim ab, flog eine Kurve über dem Fluss und kam dann von der Seite her im Tiefflug auf das Boot zugeschossen. Krysander und die vier anderen Krieger auf dem Boot nahmen ihre Speere aus den Halterungen hinter den Sätteln und hielten sie wurfbereit. Als der Grodnim nur noch knappe fünfzehn Meter vom Fährboot entfernt war, warfen Krysander und zwei Krieger fast gleichzeitig ihre Speere. Einer bohrte sich in die ledrige Haut des linken Flügels, ein weiterer traf dort, wo der Flügel aus dem Schlangenleib herauswuchs und der Dritte prallte wirkungslos am harten Knochen des dreieckigen Schädels
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