Dieb meines Herzens
ein ehrbares Arrangement«, versicherte er ihr. »Sie werden Gast im Haus meiner Eltern sein, die sich auf einer Amerikareise im Auftrag der Arcane Society befinden, aber meine Tante, die bei ihnen lebt, ist im Haus.«
»Warum sollte ich Ihren Vorschlag überhaupt in Betracht ziehen?«
Er sah sie an und wollte sie kraft seines Willens dazu bringen, die Gefahr ihrer Lage zu erkennen. »Laut alten Berichten ist der Kristall nutzlos, wenn er nicht von jemandem aktiviert wird, der mit einem sehr seltenen Talent begabt ist. Früher oder später könnte Delbridge der Gedanke kommen, dass Sie nur deshalb so viel für den Aurora-Stein riskierten, weil Sie als Kristallmedium über diese Gabe verfügen. Wenn er das begreift, ist es um Ihre Sicherheit geschehen.«
16
Die Anstrengung, höfliche Konversation an der langen Dinnertafel zu machen, forderte ihren Tribut. Leona hatte sich während der Artischockensuppe und der frittierten Forelle wacker gehalten, doch als Brahthuhn und Gemüse serviert wurden, machte sich bei ihr Erschöpfung bemerkbar.
Thaddeus, der am anderen Ende der Tafel saß, war ihr keine Hilfe. Seitdem er sie ins Haus gebracht hatte, schien er tief in Gedanken versunken. Vermutlich schmiedete er Pläne, wie man den Stein zurückbekommen könnte, und war davon völlig in Anspruch genommen.
Die einzige andere Person an der Tafel war Thaddeus’ Furcht einflößende Großtante Victoria, Lady Milden. Von dem Augenblick an, als sie bekannt gemacht wurden, hatte Leona den Eindruck gehabt, dass die abweisend wirkende alte Frau sie mit unverhohlenem Argwohn und mit Missbilligung beäugte.
Victorias Reaktion kam nicht überraschend. Leona war darauf vorbereitet. Schließlich war Victoria wie die gesamte Familie Ware Mitglied der Arcane Society und hatte von Kristallmedien zweifellos eine sehr geringe Meinung. Die Legendenbildung um Sybil, die jungfräuliche Zauberin, war daran nicht unschuldig. Victoria war von der Aussicht, eine Frau empfangen zu müssen, die in ihren Augen nicht mehr als eine Schaubudenwahrsagerin war, alles andere als entzückt.
Der Einzige, der sich über den Umzug auf den Familiensitz der Familie Ware freute, war Fog, der den weitläufigen Garten begeistert in Beschlag genommen hatte.
Victoria sah Leona über einen hohen silbernen Teller mit
Trockenfrüchten hinweg an. »Sie leben also seit eineinhalb Jahren in London, Miss Hewitt?«
»Ja«, erwiderte Leona höflich.
»Wo waren Sie zuvor beheimatet?«
»In Little Tickton, einer kleinen Stadt an der Küste. Vermutlich ist Ihnen der Ort kein Begriff.«
»Und Sie übten Ihren Beruf in diesem Little Tickton aus?«
»Ganz recht, Lady Milden.«
»Wie lange?«
Die Frage drang auf gefährliches Territorium vor. Es wurde Zeit, die Wahrheit ein wenig zu verschleiern, fand Leona.
»Ich arbeite seit meinem sechzehnten Lebensjahr beruflich mit Kristallen«, gab sie ruhig zurück.
»In Little Tickton«, ließ Victoria nicht locker.
»Hmmm.« Leona verzehrte ein Stückchen Kartoffel. Sie war nicht verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Sie hatte ein Recht auf Privatleben.
»Ich hörte, dass Kristallmedien ziemlich häufig ihren Standort wechseln«, bemerkte Victoria.
»Hmmm.« Leona widmete sich einer Karotte.
»Warum fassten Sie dann den Entschluss, nach London zu gehen, wenn es beruflich in Little Tickton jahrelang gut lief?«
»Nun, ich hoffte, hier würde alles noch besser laufen.«
»Und war es der Fall?«
Leona schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Oh ja, keine Frage.«
Victorias Augenwinkel wurden schmal. Das Lächeln gefiel ihr nicht, dachte Leona.
»Ihr Hund ist äußerst ungewöhnlich«, bemerkte Victoria
nun. »Ziemlich beängstigend. Er sieht ein wenig wie ein Wolf aus.«
»Er ist kein Wolf«, versicherte ihr Leona, die sich sofort zu Fogs Verteidigung aufgerufen fühlte. Wurde sie selbst beleidigt, konnte sie es hinnehmen, sie würde aber nicht zulassen, dass Victoria ihren Hund beleidigte. »Er benimmt sich tadellos und ist äußerst intelligent. Sie haben von ihm nichts zu befürchten.«
»Wo um alles auf der Welt haben Sie einen solchen Hund bekommen?«
»In Little Tickton. Eines Tages erschien er an meiner Hintertür wie ein Nebelphantom. Ich gab ihm Futter und war im Handumdrehen Hundebesitzerin.«
»Beißt er?«
Wieder ließ Leona ihr Lächeln erstrahlen. »Er greift nur an, wenn er Bedrohung für sich wittert.«
Victoria blickte Thaddeus mit gerunzelter Stirn an. »Vielleicht sollte man den Hund draußen im
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