Dieb meines Herzens
Moment sah sie aus wie vom Blitz getroffen.
»Thaddeus .« Sie sprang auf und lief durch den Raum. Die Hände auf der Schreibtischfläche aufstützend beugte sie sich vor. Ihre Augen sprühten vor Erregung. »Ist der Besuch des Frühlingsballs Teil deines Plans, der uns zum Kristall führen soll? Wie das?«
Er lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück und genoss es, von ihrer stark stimulierten Aura sanft überflutet zu werden. Dies erregte ihn auf geradezu unbeschreibliche Weise.
»Ich komme eben von einer Unterredung mit Caleb, einem Menschen, der aus losen Chaosfetzen Muster zu weben versteht. Einige sagen, er ginge dabei zu weit. Wie dem auch sei, es ist seine spezielle Gabe.«
»Ja, ja, weiter.«
»In den letzten Tagen stellte er viele Nachforschungen an. Wie du weißt, wechselte der Stein in den letzten zweihundert Jahren häufig den Besitzer, doch steckte laut Caleb immer ein bestimmtes Schema dahinter.«
»Was für ein Schema?«
»Erstens hatten alle Besitzer eine Beziehung zur Arcane Society.«
»Natürlich. Niemand, der keine Ahnung von der Geschichte hat, würde die Legende kennen.«
»Richtig. Außerdem waren alle, die es in der Vergangenheit auf den Stein abgesehen hatten, fanatische Sammler.«
»Oder sie waren Mitglieder meiner Familie«, sagte sie nachdenklich.
Er neigte den Kopf. »Oder sie waren Mitglieder deiner Familie. Aber alle waren Individuen, die auf eigene Faust vorgingen. Diesmal aber hat Caleb das Gefühl, dass es sich um eine völlig andere Situation handelt.«
Erkenntnis blitzte in ihrem Gesicht auf. »Weil so viele Menschen sterben mussten?«
»Zum Teil ja. Aber auch weil Delbridge sich bis jetzt nie zu einem Mord hinreißen ließ, um sich ein heiß begehrtes Objekt zu verschaffen.«
»Nach allem, was man weiß.«
»Nach allem, was man weiß«, wiederholte er. »Nun aber wissen wir, dass Delbridge gewillt ist, für den Kristall zu töten, obwohl er allem Anschein nach keine Möglichkeit hat, dessen Kraft zu nutzen.«
»Stellt sich also die Frage, warum er ausgerechnet diesem Stein so hartnäckig hinterherjagt. So ist es doch?«
»Ja. Caleb ist überzeugt, dass die Affäre um den Aurora Stein mit einem erneuten Versuch verknüpft ist, sich das
dunkelste Geheimnis der Society anzueignen, eine von Sylvester Jones entwickelte Formel.«
»Ich verstehe.«
»Bis vor Kurzem war das Elixier nur eine Legende, vor ein paar Monaten aber wurde Sylvesters Gruft geöffnet und im Inneren die Formel gefunden.«
»Du lieber Himmel«, flüsterte sie sichtlich beeindruckt. »Ich hatte ja keine Ahnung.«
Er spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Die Armlehnen seines Stuhls fester umfassend, stand er auf und ging ans Fenster, um auf das Gewächshaus hinauszublicken.
»Fast unmittelbar nach der Entdeckung der Formel wurde der Versuch unternommen, sie zu entwenden«, sagte er. »Gabriel Jones und die Dame, die nun seine Frau ist, vereitelten den Plan. Damals nahm man an, dass die Sache sich damit erledigt hätte. Und so war es auch, zumindest was diesen Vorfall betraf. Der Irre, der den Plan erdachte, ist tot.«
»Ist das sicher?«, fragte Leona misstrauisch.
»Zweifellos. Gabe und Venetia waren Zeugen seines Todes, Caleb aber glaubt, dass sozusagen die Büchse der Pandora geöffnet wurde. Er befürchtet, dass der beinahe geglückte erste Plan andere Täter inspirierte.«
»Hm, vermutlich birgt diese Überlegung eine gewisse Logik«, sagte sie. »Aber welche Verbindung kann zwischen dem Aurora Stein und Sylvesters Formel bestehen?«
Er wandte den Kopf. Sie beobachtete ihn unverwandt.
»Wir wissen es nicht«, gestand er. »Caleb weiß als Einziges ganz sicher, dass die Mitglieder dieser neuen Verschwörung aus den höchsten Rängen der Arcane Society kommen und dass Männer wie Delbridge dazugehören. Es genügt nicht mehr, nur ihm Einhalt zu gebieten. Man muss die Identität der anderen aufdecken.«
Verständnis glomm in ihren Augen auf. »Und die höchstrangigen Mitglieder der Society werden den ersten Frühlingsball beehren.«
»Das ist die Theorie, von der Caleb und ich im Moment ausgehen, ja.«
Sie runzelte die Stirn. »Aber wie sollen wir sie identifizieren? Wenn einer von ihnen den Kristall bei sich hat, würde ich diesen aus der Nähe entdecken. Es ist aber unwahrscheinlich, dass der Dieb den Aurora-Stein zu einem festlichen Ball mitnimmt.«
»Da gebe ich dir recht. Er passt in eine Manteltasche, ist aber zu groß, um ihn in einem Abendjackett zu verbergen. Es
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