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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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Feuerwehrhauptmann versuchen würde, seine Wagen in das Gassengewirr des Barrio zu schicken, so gibt es doch immer Hilfe von den Nachbarn, und sei es nur, weil diese verhindern wollen, dass das Feuer auf ihre Häuser übergreift. Und um Mama zu helfen, würden die Leute kilometerweit laufen, es sei denn, Señor Moro hätte einen seiner Männer losgeschickt, der dort in der Gasse steht, an die Mauer gelehnt, die Arme verschränkt. Niemand wird Mama helfen, wenn der Schattenmann den Weg versperrt.
    Niemand außer Lucien. Er würde helfen, unter allen Umständen. Er verdankt Mama alles. Baz kann seinen kleinen Platz von der Nordseite ihres Daches aus sehen. Sie sieht den Brunnen, und jetzt sieht sie auch Lucien, er steht da, hält schützend eine Hand vor die Augen und starrt auf den Rauch. Aber auch er rührt sich nicht. Vielleicht ist ihm noch nicht klar geworden, dass es Mama ist, die in Schwierigkeiten steckt.
    Und dann, ohne groß nachzudenken, kriecht Baz vom Dach herunter. Sie wird es ihm sagen. Bestimmt darf sie sich in seinem kleinen Verschlag verstecken, während er erkundet, was passiert ist. Er wird helfen, Lucien, auf jeden Fall. Er bietet immer seine Hilfe an, wenn sie Wasser holen kommt. Jedes Mal. Sie eilt durch die überdachte Gasse, durch das Ching-Chang-Haus, bleibt stehen und blickt sich nach links und rechts um. Die Luft ist rein. Sie läuft los, den breiteren Weg hinunter, der zum Brunnen führt. Da hört sie den Ruf: »Baz, hey! Was machst du? Fay ist schon halb verrückt vor Sorge, was mit dir ist.« Sie bleibt stehen und dreht sich um.
    Miguel! Ist er also doch zurückgekommen. Er läuft auf sie zu, versucht seine Begierde, sie einzufangen, dadurch zu verbergen, dass er die Stirn runzelt, ein ganz besorgtes Gesicht macht, aber in Baz’ Augen sieht er aus wie eine hungrige Ratte: verlottert, das zerrissene Shirt um den Leib flatternd, den Mund aufgerissen. Sie fragt sich, für wen er eigentlich arbeitet.
    Instinktiv sprintet sie in die entgegengesetzte Richtung.
    »Baz! Warte! Fay sagt, wir solln dich suchen!«
    Sie biegt scharf nach links ab, stößt eine Mülltonne aus dem Weg, schlüpft durch eine kleine Lücke zwischen zwei Häusern, doch leider ist sie nicht schmal genug. Miguel zwängt sich hinterher, bleibt an ihr dran. »Baz. Was machst du denn? Soll Fay denken, dass du was vor ihr verstecken willst? Baz, warte ...«
    Sie springt, Ellbogen und Knie aufgeschrammt, aus dem Spalt heraus und läuft den Weg hinunter, der zum Brunnen führt. Fast kann sie das schmierige Plopp hören, mit dem Miguel hinter ihr aus der Dunkelheit platzt. »Baz, du machst einen Fehler.«
    Sie sieht Lucien, der verwirrt in ihre Richtung blickt. Seine Augen weiten sich, als er bemerkt, dass Miguel ihr hart auf den Fersen ist, und dann verändert sich sein Gesichtsausdruck, als Miguel nach Baz greift und sie packt, sie herumwirbelt, sodass sie gegen die Seitenmauer prallt. Miguel bemerkt Lucien nicht – warum sollte er auch? Niemand kümmert sich hier darum, was der andere macht. Kinder, die sich balgen – na und? Machen sie doch ständig.
    Miguel ist klein, aber er besteht fast nur aus Sehnen und Muskeln, und er ist hungrig, ehrgeizig, möchte die Nummer eins sein für Fay, die Nummer eins für Eduardo. Hätte Miguel eine Pistole oder ein Messer, würde er töten, allerdings hat ihm niemand aufgetragen, zu töten, er soll sie nur finden, soll sie zurückbringen. »Du kommst mit mir«, keucht er, packt mit einer Hand ihren Nacken, dreht ihr mit der anderen den Arm nach hinten, und er lässt nicht los, obwohl sie heftig austritt und mit dem Kopf nach ihm stößt, ihn auch voll mit der Stirn am Kinn erwischt. Blut läuft ihm über die Lippen, aber er bemerkt es gar nicht. »Du kommst mit, Baz. Du kommst mit mir mit.«
    Er registriert nicht, dass Lucien auf ihn zugelaufen kommt. Lucien mag spindeldürr und kränklich sein, aber er hievt seit Jahren Wassereimer aus seinem alten Brunnen, und als er Miguel mit vollem Schwung die Faust an den Kopf schlägt, wird dieser durchgeschüttelt, als hätte der Boxweltmeister im Schwergewicht ihm eine verpasst. Miguel taumelt rückwärts, und etwas fällt ihm aus der Tasche – ein Handy –, aber er kriegt es nicht mit. Blinzelnd hält er sich den Kopf, das Blut tropft ihm übers Kinn, und es ist, als würde er Lucien zum ersten Mal in seinem Leben sehen. »Du!«, zischt er, und Baz weiß nicht, ob das an sie gerichtet ist oder an Lucien. »Du bist erledigt.« Er spuckt roten

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