Diebesgeflüster - Band 3
kletterte unter dem Gitter durch.
Ich erreichte den Boden. Am liebsten hätte ich mich wieder sicher auf die Fliesen gestellt, aber ich musste warten, bis die Truhe mit Felsbrocken gefüllt war. Ansonsten würde man mich sicherlich noch ein drittes Mal wie einen Spielball in die Luft werfen.
Fabrizio schlug mit der Axt gegen das Schloss an der Truhe. Hektisch löste er das beschädigte Eisen und öffnete die Kiste.
Was ich sah, verschlug mir den Atem. Eine Schale aus puren Gold, verziert mit Edelsteinen in sämtlichen Farben, gebettet auf rotem Samt. Der Heilige Gral.
Ich wollte meine Finger ausstrecken, um über die schimmernde Oberfläche der Schüssel zu streichen, doch dann zog ich meine Hand wieder zurück. Elisa beobachtete mich. Sie war immer noch misstrauisch – und ich wusste, dass sie allen Grund dazu hatte. Ich durfte sie nicht noch argwöhnischer machen, als sie sowieso schon war.
Fabrizio holte einen Beutel aus seiner Mönchskutte hervor. Im selben Moment, in dem er den Heiligen Gral herausholte, legte Nuccio schwere Mauerstücke in die Truhe.
Weder Elisa, noch Fabrizio, noch Nuccio hatten Augen für die Schönheit des Grals. Sie wussten nur, dass sie es brauchten, um Geld zu bekommen, um zu leben. Achtlos steckte Fabrizio den Heiligen Gral in die Tasche, nahm Ada an die Hand, und wir verschwanden aus der Schatzkammer.
Wir warteten vor einer Biegung, bis Constantino zu uns kam. Er war weiß im Gesicht – so weiß wie Adas Kleider.
»Ich habe eben den Papst höchst persönlich belogen. Dafür muss ich in der Hölle schmoren.«
»Das hast du gut gemacht«, beruhigte Elisa ihn ohne erkennbaren Erfolg. »Wir sollten jetzt so schnell wie möglich von hier verschwinden, bevor die Aufpasser kommen.«
Die Aufpasser … hatten sie wirklich Angst vor ihnen? Das konnte ich mir kaum vorstellen. Immerhin hatten sie einen Mann unter sich, der sie belügen konnte, ohne dass es jemandem auffiel. Egal was er sagte, ihm würde geglaubt werden.
Und trotzdem war ich einer von ihnen … einer von den Aufpassern. Einer von denen, die versuchten, Gerechtigkeit in Rom zu bewahren. Einer von denen, die dafür sorgen sollten, dass keine wertvollen Dinge gestohlen wurden. Ich beobachtete Fabrizio jetzt schon seit einer Ewigkeit, und das letzte Mal hätte ich ihn und seine Bande erwischt. Nur dann musste dieser Constantino den Mund aufmachen und mich in seine Lügen einwickeln. Ja, so war es gewesen.
Fabrizio hat mich gefragt, ob ich bei ihnen mitmachen wolle. Natürlich. Das war der schnellste Weg, um ihn zu Gericht zu bringen. Ich brauchte den Gral als Beweismittel und musste ihn auf frischer Tat ertappen. Heute war es endlich soweit. Auf dem Vorplatz der Sixtinischen Kapelle warteten meine Kameraden. Wir würden ihnen in die Arme laufen. Dann musste ich nur noch verhindern, dass Constantino sprach. Wir würden alle fangen können. Fabrizio als Kopf der Bande, Nuccio, Elisa, Ada und Constantino. Alle auf einmal. Der Papst würde uns mit Gold überschütten, wenn er erkannte, dass wir den Diebstahl seines geliebten Artefakts verhindert hatten. Alles würde perfekt sein.
»Halt!«, rief Elisa.
Kam nun schon wieder jemand? Wir standen an einer Weggabelung. Drei Gänge kreuzten sich hier. Wie hatten fünf Möglichkeiten weiterzugehen.
Elisa richtete den Pfeil ihrer Armbrust direkt auf Fabrizio.
»Elisa, was soll das?«, fragte dieser trocken.
»Her mit dem Gral! Sofort!« Ihre Augen funkelten so bösartig, dass ich befürchtete, sie könnte uns mit ihrem Blick töten.
Wir standen fassungslos da. Regungslos wie Eiszapfen.
Fabrizio stand die Überraschung und das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. »Warum, Elisa?«
»Halt die Klappe, Constantino! Wenn du nur ein Wort sagst, um mich umzustimmen, schieß ich dir einen Pfeil in deinen Körper!«, bellte sie.
Constantino schwieg augenblicklich. Er schluckte hart seine Worte hinunter. Er war machtlos und seine Augen starrten ängstlich auf die Pfeilspitze auf der gespannten Armbrust, die sich ihm näherte.
»Mach schon, Fabrizio! Gib mir den Gral!«
Zögerlich griff er unter seine Kutte und holte den Beutel, in dem das Artefakt lag, hervor. Nein, Fabrizio durfte ihr den Gral nicht geben. Was sollte ich meinen Kameraden sagen? Es gab keine Beweisstücke dafür, dass Fabrizio den Gral stehlen wollte – einen Schatz, von dem kaum jemand glaubte, dass er existierte. Ich brauchte den Gral.
Ich ging einen Schritt vorwärts auf Elisa zu. Sofort zielte die gefährliche
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