Diebesgeflüster - Band 3
Pfeilspitze auf mich.
»Stehen bleiben!«, schrie Elisa.
Ich hörte auf sie und nahm meine Hände nach oben.
»Gib mir den Beutel, Fabrizio! Ich warte nicht mehr lange.«
Fabrizio streckte seinen Arm aus. Elisa riss ihm den Sack aus der Hand, ging einige Schritte rückwärts, ohne uns aus den Augen zu lassen, und rannte dann davon.
Hilfloses Schweigen breitete sich zwischen uns aus.
»So … deine Leute sind also vertrauenswürdig?«, spuckte ich aus.
Fabrizio antwortete nicht. Er starrte seiner kleinen falschen Freundin immer noch hinterher.
Fluchend trat ich gegen die Mauer. Ich konnte gar nicht mehr aufhören, eine Reihe von Flüchen abzulassen. Die Arbeit der letzten Wochen war also umsonst gewesen? Ich hatte die Kutten besorgt, die Fackeln, die Axt, den Schlüssel der Sixtinischen Kapelle. Alles. Es hatte mich so viel Überredungskunst gekostet, damit die Mönche drei Kutten für mich anfertigten – und so viel Geld …
Alles umsonst.
»Wir sollten gehen«, flüsterte Constantino niedergeschlagen. Man konnte ihm seine Enttäuschung ansehen. Er konnte immer noch nicht glauben, was Elisa eben getan hatte.
»Ja, das sollten wir. Wir bringen Nuccio zurück in die Sixtinische Kapelle, und wir gehen in den Wald zurück. Ich möchte mit jedem Einzelnen von euch reden.« Fabrizios Stimme war schroff. Erwartete er, dass jemand von uns über Elisas Plan Bescheid gewusst hatte?
Doch das Gespräch mit Fabrizio würde irgendwie vorübergehen. Viel schlimmer würde die Unterhaltung mit meinem Vorgesetzten bei den Aufpassern verlaufen. Was sollte ich ihm erzählen, wenn Fabrizios Bande nicht wie abgemacht auf dem Vorplatz der Sixtinischen Kapelle erschien? Wie sollte ich ihm das erklären?
»Warum nehmen wir nicht, wie ausgemacht, den Ausgang bei der Sixtinischen Kapelle?«, versuchte ich mein Glück.
»Wir haben Zeit. Wir müssen uns jetzt schließlich nicht mehr so schnell wie möglich unter die Menschen mischen. Ada, führe uns hinaus!« Fabrizios Stimme zitterte vor Zorn. Das war das Ende.
Ich hatte keinen Gral, und ohne Gral konnte ich Fabrizio nicht festnehmen lassen.
Es war alles umsonst gewesen.
Fabrizio Bariello
Ich hatte Kopfschmerzen. Sie waren schon lange nicht mehr so stark gewesen wie heute. Und noch nie – noch nie in meinem Leben – war einer meiner Pläne derartig schiefgelaufen.
Der Grund dafür war Elisa. Ich hatte meinen Leuten stets blind vertrauen können. Warum? Warum hatte sie sich gegen uns gewendet? Niemand der Anderen hatte etwas von ihrem Vorhaben geahnt – nicht einmal Ada, die ihr am Nächsten gestanden hatte. Warum also?
Wütend schlug ich die Tür zu meinem Gemach auf. Es war recht einfach gehalten – im Vergleich zu denen meiner Kollegen. Ein einfacher Tisch, ein Stuhl, ein Himmelbett, ein Schrank. An der Wand hing ein Teppich, der bereits vor meiner Ankunft dort gehangen hatte. Er war hässlich, doch ich brachte es nicht über mich, ihn zu entfernen.
Seufzend stellte ich meinen Stab neben das Bett, stellte die Mitra auf den Schrank, zog mir die Kette der Pektorale über den Kopf und legte das Kreuz zusammen mit dem Bischofsring in ein kleines Kästchen neben meinem Bett.
Ich kam gerade aus einem Gottesdienst – der letzte für den heutigen Tag, doch ich musste noch einmal beten. Meine Knie senkten sich auf das harte Brett am Fußende meines Bettes und meine Augen schlossen sich. Zum wohl hundertsten Mal an diesem Tag bat ich Gott um Vergebung. Auch sollte er auf Elisa aufpassen, die nun wohl muttergottseelig alleine durch die Welt streifte. Mich plagten Schuldgefühle, weil ich den Papst bestohlen hatte, doch ich redete mir stets ein, dass ich meinen Freunden helfen musste. Sie waren Leute, die meine Hilfe und den Reichtum des Papstes wirklich benötigten.
Ich hatte nie ein Bischof werden wollen, und es interessierte mich auch nicht, wie viel Geld mein adeliger Vater für meine Stellung in der Kirche zahlen musste. Ich war der jüngste von vier Söhnen, hatte also kaum Chancen auf eine gute weltliche Position. Hier, in der Kirche, diente ich meinem Vater wenigstens, indem ich den Kontakt zum Papst pflegte.
In den ersten Jahren meiner Amtszeit reiste ich in Italien umher und traf die Menschen, die mir heute am meisten bedeuteten. Meine Freunde. Sie waren Menschen, die sich weder um Geld, noch um Rang kümmerten. Menschen, die es in meinem anderen Leben nie gegeben hatte. Ja, sie mussten jeden Tag um ihr Überleben kämpfen, doch sie waren viel glücklicher als mein
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